Quartiere sind Zukunftsorte des Handels

Ein Beitrag von Joachim Stumpf, Geschäftsführer BBE Handelsberatung GmbH

Stumpf gross"The reports of my death are greatly exaggerated“, soll ein amüsierter Mark Twain einmal einem Reporter geantwortet haben, der ihn während einer London-Reise verstorben glaubte. Bevor Dinge totgesagt werden, das war die Botschaft, sollte man besser zweimal hinschauen. Gleiches könnte man über die ein oder andere Innenstadt- oder Stadtteillage sagen. Längst hat sich unter Handelsunternehmen und Investoren Unsicherheit breitgemacht. Immer kritischer gehen sie bei der Due-Diligence vor, immer genauer werden zukünftige Potenziale von Standorten und Handelsimmobilien hinterfragt, bevor angesiedelt und investiert wird.

Wenn es um die Beurteilung von Investmentchancen geht, bekommt man in vielen Gesprächen das Gefühl, dass die Investoren- und Finanzwelt im Zuge eines allgemeinen Einzelhandelspessimismus alle Retail-Assetklassen in Sippenhaft nimmt. Das vernebelt den Blick auf nach wie vor exzellente Chancen – auch und vor allem im urbanen, stationären Einzelhandel.

Richtig ist aber auch: Handelsimmobilie ist nicht gleich Handelsimmobilie. Um einen Standort zukunftssicher aufzustellen, kommt es auf seine Positionierung, den vorhandenen Branchenmix, die Differenzierung vom Wettbewerb sowie die funktionale und atmosphärische Gestaltung an. Zumal die Bereitschaft zu Kompromissen seitens der Handelsunternehmen immer kleiner wird: Geschenkt bekommt man den Investmenterfolg selbst dann nicht, wenn man all diese Kriterien erfüllt.

Die stark verdichteten Innenstädte stehen unter Druck. Doch in den Nebenlagen der Stadtkerne, dort, wo aus Quartiersentwicklungen ganz neue Stadtteilzentren heranwachsen, ist oft noch genug Luft, um zukunftsweisende Handelsformen und neue städtebauliche Entwürfe auf den Weg zu bringen. Diese Standorte können so zu Innovationsstätten werden, die Antworten darauf liefern, welchen Beitrag der stationäre Handel auch morgen noch zu lebenswerten Städten leisten kann.

Wie genau das aussehen kann, wird bald im „Perlach Plaza“, einer Quartiers- und Einzelhandelsentwicklung im Münchener Südosten, zu sehen sein. Das „Perlach Plaza“ bietet sich als gute Case-Study über die Kunst der Positionierung an, weil es bewusst als Lückenschluss für etwas geplant wird, was dem Südosten Münchens bislang fehlte: eine lebendige Stadtteilmitte. Wo heute noch Baukräne schwingen, wird es bald einen Nutzungsmix aus Wohnen, Hotel, Büro, Einzelhandel, Gastronomie, Dienstleistungen und Freizeitangeboten geben.

Standardlösungen verbieten sich hier. Daher muss zur Entwicklung des Quartiers immer auch der Wettbewerb am Mikro- und Makrostandort betrachtet werden. Welcher Handelsbesatz, welche Erlebnisse werden den Menschen bereits woanders geboten, und durch welche Mehrwerte kann sich die Neuentwicklung hervorheben? Hierfür war es von entscheidender Bedeutung, dass gerade die Nutzungskomponente aus Einzelhandel, Gastronomie und Dienstleistungen eine klare und eindeutig abgrenzbare Identität aufweist. Nur so kann das Stadtquartier das nähere Stadtumfeld sinnvoll ergänzen, sich neben ihm erfolgreich entwickeln und den Menschen einen Grund zum Einkaufen bieten.

Grundlage der Antwort ist, konsequent auf die Stärken des Projekts aufzubauen: eine direkte ÖPNV-Anbindung, eine starke Sichtbarkeit und Aufenthaltsqualität – dank Anbindung an ruhige, zentrale Grünflächen – sowie externe Faktoren wie die vorhandenen Angebote des nahe gelegenen „PEP“. Ziel war im ersten Schritt, anhand dieser Faktoren eine klare, funktionale Positionierung für das Quartier zu erarbeiten. Aus dieser wiederum wurde ein genau definiertes Vermietungskonzept abgeleitet. Im Ergebnis entstand die Leitidee, das „Perlach Plaza“ zu einem angenehm zu erreichenden Aufenthaltsort mit attraktiven Nahversorgungs- und Gastronomieangeboten zu machen. Ergänzt wird dieser Mix durch besondere Dienstleister, eine Sparkassen-Filiale veritabler Größe sowie kompetente Freizeit- und Fitnessanbieter.

Besonderes Augenmerk liegt außerdem auf den großzügigen Grün- und Freizeitanlagen mit hoher Aufenthaltsqualität, die zugleich attraktiv für Gastronomen sind. Denn anders als in klassischen Shopping-Centern werden sich die gastronomischen Angebote nicht im Gebäudeinneren verstecken, sondern können sich – entlang der hohen, zweigeschossigen Arkadengänge – im wahrsten Sinne des Wortes „sehen lassen“. Die Arkaden haben zudem eine wichtige Schaufensterfunktion, die die Sichtbarkeit der Mieter erhöht und die Kunden zum Flanieren einlädt.

Entwicklungen wie das „Perlach Plaza“ zeigen, dass zentrale Handelspunkte in den Städten nicht einfach nur schrumpfen, sondern – im Gegenteil – auch neue entstehen können. Geschenkt wird der Erfolg aber auch diesen neuen Stadtteilen nicht. Wir müssen aufhören, einfach nur Immobilien oder Standorte zu entwickeln. Und anfangen, diesen Orten eine Identität zu geben.

 
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