Europa braucht überzeugte Europäer
3.149.29.209Guido Wolf, Minister der Justiz und für Europa in Baden-Württemberg
Ein Beitrag von Guido Wolf, Minister der Justiz und für Europa in Baden-Württemberg
Europa und die Europäische Union befinden sich im Umbruch. Wirtschafts- und finanzpolitische Krisen haben unseren Kontinent erschüttert. Fragen von Migration und Zuwanderung haben heftige Debatten ausgelöst. Und unser einmaliges europäisches Modell von Frieden, Freiheit und Wohlstand sieht sich Herausforderungen aus aller Welt gegenüber. Herausforderungen, die unsere Art zu leben in politischer, ökonomischer und gesellschaftlicher Hinsicht in Frage stellen. Europa braucht deshalb heute nichts dringender als überzeugte Europäerinnen und Europäer. Das gilt auch für Wirtschaft und Handel. Vermeintlich vornehme Zurückhaltung können wir uns nicht mehr leisten.
Der Brexit zeigt: Europa ist ökonomisch die bessere Wahl
Was geschieht, wenn Europa keine Fürsprecher mehr hat, erleben wir in Großbritannien. Für eine Mehrheit der Briten verkörperte der Brexit das Versprechen einer glänzenden Zukunft. Die Realität zwei Jahre später sieht anders aus. Das Pfund und mit ihm die Kaufkraft der Briten ist gesunken, die Investitionen in den Wirtschaftsstandort „UK“ gingen zurück und liegen weit hinter dem OECD-Durchschnitt. Nur ein halbes Dutzend Staaten waren zudem bislang bereit, mit Großbritannien Handelsabkommen zu schließen. Statt den Freihandel mit den Großen der Welt neu zu organisieren, wurde London lediglich mit Staaten wie Liechtenstein und den Färöer-Inseln handelseinig. Die Europäische Union hat demgegenüber gerade erst ein umfassendes Freihandelsabkommen mit Japan zustande gebracht und kann auf eine Liste von mehreren Dutzend Nationen blicken, die mit dem europäischen Binnenmarkt frei Handel treiben wollen. Die ökonomische Zwischenbilanz ist also eindeutig: wer Europa den Rücken kehrt, verliert ökonomisch an Boden.
Europa ist mehr als der Binnenmarkt
Die Europäische Union kann natürlich besser werden. Kritik ist erlaubt und notwendig, beispielsweise angesichts der Brüsseler Leidenschaft für bürokratische Überreglementierungen. Aber insgesamt ist die EU nicht nur ein funktionierender Wirtschaftsraum, sondern darüber hinaus eine stabile Werte- und Rechtsgemeinschaft. Wir wollen nicht nur Handel treiben, sondern auch unsere Interessen verteidigen. Das gilt hinsichtlich technologischer Standards ebenso wie in sozialer und ökologischer Hinsicht. Das gilt vor allem aber für unser freiheitliches Gesellschaftsmodell.
Europa muss einen Mehrwert bieten
Der Mehrwert der EU definiert sich für mich deswegen nicht allein über die riesige Bedeutung für unsere Exportwirtschaft. Der Mehrwert Europas wird sich künftig mindestens ebenso in anderen Bereichen erweisen: Europa muss Sicherheit nach innen wie außen garantieren, muss für Grenzschutz und Cybersicherheit sorgen und seine Verteidigung gemeinsam organisieren. Denn erst ein sicheres und global handlungsfähiges Europa wird langfristig auch ein prosperierendes Europa sein können. Gemeinsame Investitionen in Digitalisierung und künstliche Intelligenz, in die Vollendung des Binnenmarkes oder grenzüberschreitende Infrastrukturprojekte werden den europäischen Mehrwert noch spürbarer werden lassen. Am Ende könnte eine Europäische Union, die sich auf die großen Fragen konzentriert und gleichzeitig Spielräume für Entscheidungen in den Kommunen, Regionen und Ländern lässt, aus den Krisen der Vergangenheit gestärkt hervorgehen.
Europa braucht unser Engagement
Wer das Gelingen des Europäischen Projekts will, der muss deswegen jetzt handeln, muss seine Vorstellungen formulieren und seine Stimme erheben. Lassen Sie uns trotz aller Herausforderungen gut über Europa reden. Lassen Sie uns Risiken aufzeigen und Chancen betonen, damit am 26. Mai möglichst viele Bürginnen und Bürger wählen gehen. Europa braucht ein klares Votum und Europa braucht unsere Unterstützung.