Zukunftssicherung: Stadt und Handel zusammen denken – Mehrwerte durch Vernetzung schaffen
3.148.108.201Boris Hedde, Geschäftsführer des IFH Köln
Ein Beitrag von Boris Hedde, Geschäftsführer des IFH Köln
Der Onlinehandel, aber auch der Strukturwandel im Handel und die zunehmende Urbanisierung der Bevölkerung setzen den lokalen Handel in vielen Städten und Regionen unter Druck. Im Fokus der Veränderungen stehen jedoch nicht nur die einzelnen Geschäfte, sondern vielmehr die jeweiligen Handelsstandorte – insbesondere die Innenstädte.
Convenience, Mehrwerte und Erlebnisse haben sich zu einer Gemeinschaftsaufgabe für Stadt und Handel entwickelt. Und diese gilt es im öffentlichen Interesse ernst zu nehmen, denn wie lebenswert wären unsere Städte ohne lebendige Innenstädte, Quartiere etc., in denen sich die Bürger*innen wohl fühlen und versorgen, genießen und ihre Freizeit verbringen können?
Attraktivität des Handelsstandortes gemeinschaftlich sichern
Die IFH-Studie „Vitale Innenstädte 2018“ offenbarte, dass Shopping zwar immer noch das Besuchsmotiv Nummer 1 einer Innenstadt ist, beim Innenstadtbesuch aber immer häufiger verschiedene Besuchsanlässe bzw. -motive miteinander kombiniert werden: Shopping, Gastronomie, Freizeit- und Kulturangebote, Behördengänge, Arztbesuche, etc. Voraussetzung für den Erfolg eines (Handels-)Standortes ist es folglich, eine multioptionale Angebotslandschaft zu schaffen und die beteiligten Anbieter/Akteure miteinander zu vernetzen, um gemeinschaftlich kundenorientierte Ansätze zur Vitalisierung des (Handels-)Standortes zu entwickeln. Neben den kommerziellen Anbietern vor Ort sind auch nicht-kommerzielle Organisationen, die Stadtverwaltung, Wirtschaftsförderung und das Stadtmarketing gefordert, sich aktiv zu engagieren, um den (Handels-)Standort gemeinschaftlich attraktiver zu gestalten. Vernetzung ist der Schlüsselbegriff, der sowohl allgemein im Sinne einer lokalen Kooperation als auch im Kontext der digitalen Vernetzung zu verstehen ist. Wie operieren die Stadtakteure gemeinsam, welche Rahmenbedingungen werden ihnen gegeben und was kennzeichnet eine passende Infrastruktur im digitalen Zeitalter? All dies sind Fragen, die es zu beantworten gilt, um im Zeitalter der Digitalisierung, des Standortwettbewerbs und im Sinne der lokalen Besuchsfrequenz und Aufenthaltsqualität aktiv zu werden.
Kundenzentrierung: Alle Macht geht vom Besucher aus!
Um die erwähnten Zielsetzungen erreichen zu können, ist ähnlich wie im wirtschaftlichen Kontext, auch auf städtischer Ebene eine nachhaltige Besucherzentrierung notwendig. Für jeden Handelsstandort gilt: Alle Macht geht vom Besucher (Einwohner wie Auswärtige) aus. Er bestimmt den Bedarf vor Ort, er bestimmt die geforderten Rahmenbedingungen und gibt damit auch die Leitlinie für die Zukunftsgestaltung vor.
Gefordert ist ein klares Verständnis über die Bedarfe und Bedürfnisse der heimischen Bürger*innen sowie der auswärtigen Besucher*innen. Basierend auf den jeweiligen Zielgruppen sind standortspezifische Rollen zu definieren und gemeinschaftlich Konzepte zu entwickeln, um einen (Handels-)Standort mit Blick auf unterschiedliche Besuchsanlässe, Angebote und Akteure attraktiv zu halten bzw. zu entwickeln.
Es sei an dieser Stelle erwähnt: nicht jeder (Handels-)Standort ist zu retten. Es gilt vielmehr genau zu analysieren, welche Standorte die notwendige Substanz bereithalten, um den geforderten Transformationsprozess erfolgreich gestalten zu können. Für jene (Handels-)Standorte ohne positive Perspektive kann es gleichwohl gewinnbringend sein, einen Rückbau geordnet durchzuführen, um möglichst wenig kommerziellen und sozialen Schaden zu verursachen.
Bedingung: Klares Verständnis über die Rollenverteilung bei der Zukunftsgestaltung
Um an (Handels-)Standorten besucher- bzw. bürgerorientiert zu agieren, sind Finanzierungs- und Organisationstrukturen bereitzuhalten. Damit einhergehend sind Aufgabenstellungen und Rollenverteilung zu definieren. Zum Schluss gilt es, Maßnahmen zu realisieren. Bei allen – digitalen und analogen – Strategien, bei denen (Handels-)Standorte integrativ und ganzheitlich entwickelt werden sollen, ist zu klären, welcher Partner vor Ort als Treiber und Betreiber fungiert. Eine Reihe von Pilotprojekten in Deutschland haben gezeigt, dass hier der Stadt als Organisation eine besondere Bedeutung zukommt. Entsprechend ist für eine erfolgreiche Zukunft von (Handels-)Standorten notwendig, Organisationen und/oder Behörden, wie z. B. der Wirtschaftsförderung, dem Citymarketing oder der Stadtplanung, Aufgaben der aktiven Gestaltung konkret zuzuordnen und dafür Ressourcen bereitzustellen.
Dies bedeutet heute an vielen Stellen einen Paradigmenwechsel. Aktuell sehen sich genannte Organisationen und deren Vertreter primär als Ordnungsaufsicht – weniger jedoch als aktiver Gestalter und Impulsgeber. Hier wäre es wünschenswert, wenn der ordnungspolitische Rahmen Räume schafft, um zu evaluieren, was stadtbezogene Verantwortliche daran hindert, eine gestalterische Rolle einzunehmen bzw. was diese unterstützen könnte, neue Wege zu gehen.