Architektur und Handel machen Vielfalt möglich
3.136.26.156Barbara Ettinger-Brinckmann, Präsidentin Bundesarchitektenkammer
Ein Beitrag von Barbara Ettinger-Brinckmann, Präsidentin Bundesarchitektenkammer (Foto: Till Budde)
Der Handel ist ein wichtiger Motor für Städte und trägt entscheidend zur urbanen Mischung bei. Stadt muss für die Menschen gemacht sein. Es kann nicht gewollt sein, dass Läden des täglichen Bedarfs und des Fachhandels immer mehr verschwinden und der Onlinehandel alle Sparten dominiert. Diese Entwicklung hat große Auswirkungen auf den öffentlichen Raum in unseren Städten. Wenn Läden schließen müssen und Leerstand sich ausbreitet, verändern sich Erdgeschosszonen. Dabei ist gerade dieses „Stadtgeschoss Erdgeschoss“ essenziell wichtig für den öffentlichen Raum, für unsere Straßen und Plätze, für Aufenthaltsqualität und gesellschaftliches Leben. Die Verantwortung liegt auf vielen Schultern. Gemeinsam mit Kommunalverwaltungen, Stadtbauräten und Planungsämtern, aber auch den Hauseigentümern und Bauherren müssen wir uns für die räumlichen Voraussetzungen einer lebendigen Stadt engagieren.
Auch für die Stärkung des ländlichen Raums müssen wir geeignete Konzepte erarbeiten, die Stadt-Land-Synergien stärkt und Infrastrukturen stabilisiert. Viele Menschen leben gerne in kleinen Städten und ländliche Regionen rücken als Lebensmittelpunkt in vielen Regionen wieder in den Fokus, als Alternative zu überteuerten Großstädten. Die Digitalisierung wird viele Aspekte unserer Arbeitswelt weiter flexibilisieren und dies kann für diesen Trend durchaus förderlich sein.
Dabei muss eine Grundversorgung gewährleistet sein. Handel ist ein entscheidender Partner, um Stadt-Land-Synergien mit zu entwickeln, gemeinsam Lösungen für weniger attraktive Regionen oder Orte zu erarbeiten. Städte, Gemeinden und Kommunen müssen proaktiv neue Konzepte entwickeln. Architektur, Stadtplanung und Nutzungen befruchten sich gegenseitig. Handelsimmobilien prägen unsere Städte und Gemeinden seit Jahrhunderten. Und die Bedeutung von qualitätvoller Gestaltung gewinnt an Bedeutung, denn von der Attraktivität eines Ortes profitieren alle.
Uns Architekten und Stadtplaner beschäftigt zurzeit besonders der städtebauliche und architektonische Bestand, denn darin ist besonders wertvolle, so genannte „graue Energie“ gebunden. Wir geben im Sinne einer nachhaltigen Entwicklung dem Bestand den Vorrang vor Neubau, setzen also auf Nachverdichtung, Umnutzung, Innen- vor Außenentwicklung. Gemeinsam mit der Bundesstiftung Baukultur engagieren wir uns für eine neue Umbaukultur, die Bestandsumnutzungen und -aufwertungen vereinfachen und fördern soll. Wir möchten exemplarische Wettbewerbsaufgaben entwickeln, die Gewerbe, Handel und Wohnen in unseren bestehenden Gebäuden und Quartieren ermöglichen. Und zwar nicht nur in der Stadt, sondern auch in ländlichen Regionen, kleinen Städten oder Dörfern. Für den Handel ist es ebenso sinnvoll, dem baulichen Bestand besondere Aufmerksamkeit einzuräumen, denn gerade der stationäre Handel kann von stabilen räumlichen und sozialen Strukturen profitieren.
Wir müssen lebendige urbane Vielfalt und gut gestaltete Orte und Gebäude wertschätzen und erhalten. Der Handel ist für Städte und Gemeinden ein wichtiger Partner. Als Konsument kann jeder einzelne mit seinem Verhalten beitragen, dass Angebot und Vielfalt möglich sind. Gute Architektur, lebenswerte Städte und Gemeinden und ein starker Einzelhandel müssen gesellschaftlich und politisch gewollt sein. Alle Bauschaffenden müssen Verantwortung übernehmen.