Mut für den Neustart
18.116.40.53Dieter Janecek, Bundestagsabgeordneter für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Sprecher für Industriepolitik und digitale Wirtschaft und Obmann im Ausschuss für Wirtschaft & Energie
Ein Beitrag von Dieter Janecek, Bundestagsabgeordneter für BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, Sprecher für Industriepolitik und digitale Wirtschaft und Obmann im Ausschuss für Wirtschaft & Energie
Seit Beginn der Pandemie haben vor allem die Online-Handelsplattformen profitiert. Die 13 größten Online-Handelsplattformen der Welt haben im vergangenen Jahr ein Plus von 20,5 Prozent erzielt. Der Einzelhandel hat laut UNCTAD-Studie im vergangenen Jahr fast jeden fünften Euro ihres Umsatzes über das Online-Geschäft eingenommen. Den klaren Trend zum Online-Einkauf gab es freilich schon vor Corona, die Dynamik hat sich nur noch mal deutlich beschleunigt und auch viele Kundinnen und Kunden, die bislang wenig E-Commerce-affin waren, haben begonnen, online zu bestellen. Viele Händlerinnen und Händler haben neue Wege beschritten, vielerorts haben sich Online-Marktplätze entwickelt, über die lokale Einzelhändler ihre Waren vertreiben können. Nicht alle konnten dabei mit der Dynamik der Entwicklung mithalten.
Nichts geht mehr ohne Digitalisierung
Handel ohne Digitalisierung – das ist inzwischen kaum noch denkbar. Damit am Ende aber nicht nur die wenigen Großen die Gewinne einstreichen, sondern die Wertschöpfung beim Online-Verkauf auch in der Fläche stattfindet, muss die Politik den Einzelhandel beim Aufbau eines zweiten digitalen Standbeins unterstützen – zum Beispiel über dezentrale und unabhängige IT-Beratungsnetzwerke, die gerade Kleinunternehmen bei Fragen zu IT-Sicherheit, Datenschutz oder der geeigneten Shop-Software zur Seite steht. Durch eine kommunale Förderung von offenen Online-Portalen könnte insbesondere der inhabergeführte lokale Einzelhandel attraktive Angebote für die regionale Vermarktung machen.
Lebendige Innenstädte fördern
Spielt sich aber alles nur noch digital ab? Mitnichten! Innenstädte und auch die zentralen Plätze der Kleinstädte und Marktgemeinden sollen Begegnungs- und Kulturorte bleiben – oder es wieder werden. Dafür braucht es einen bunten Mix aus Einkaufsmöglichkeiten, Gastronomie, Dienstleitungen und Kultur für alle Altersgruppen – auch Orte zum konsumfreien Verweilen. Dafür brauchen wir Aufenthaltsqualität und eine Baukultur, die vom Mensch her gedacht ist, die Räume schafft zum Flanieren und Wohlfühlen. Eine Politik und auch ein Handel, die daran denken, dass auch Menschen, die mit dem Fahrrad oder zu Fuß unterwegs sind, potenzielle Kundinnen und Kunden sind. Eine kluge Stadtentwicklungspolitik, nachhaltige Verkehrskonzepte und ein Städtebau-Notfallfonds sind die besten Voraussetzungen, dass auch der Einzelhandel und das Handwerk dort eine Zukunft haben. Fehler der Vergangenheit, das Setzen auf gesichtslose Gewerbegebiete und Einkaufszentren auf der grünen Wiese dürfen nicht fortgesetzt werden.
Neustart nach der Krise
Die Politik darf den ohnehin schon gebeutelten stationären Einzelhandel auch nach der Corona-Krise nicht im Stich lassen. Gezielt den besonders betroffenen Branchen lässt sich beispielsweise dadurch helfen, den Verlustrücktrag für kleine und mittlere Unternehmen auszudehnen, zeitlich begrenzte Abschreibungsbedingungen einzuführen und vereinfachte Restrukturierungsverfahren zu ermöglichen. Falls Coronahilfen zurückgezahlt werden müssen, benötigen die Unternehmen großzügige Konditionen. Für viele Selbständige können sichere Aufträge durch handlungsfähige Kommunen den Neustart nach der Pandemie unterstützen. Zur Entlastung und Förderung der Solo-Selbständigen und Kleinstunternehmen muss die Gewinngrenze für die Buchführungspflicht angehoben werden.
Auch wenn durch die Pandemie unsere Wirtschaft über die Maßen gefordert wurde: da steckt so viel Kraft, Innovationssinn und so viel Herzblut in den vielen Unternehmen im stationären Einzelhandel und anderswo. Unsere politische Agenda muss es sein, Ermöglichungs- und Förderräume zu schaffen und Mut zu machen für den Neustart.