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Innenstädte fit für die Zukunft machen

Ein Beitrag von Katharina Dröge, Bundestagsabgeordnete, parlamentarische Geschäftsführerin und Sprecherin für Wirtschaftspolitik der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen (Foto: Cornelis Gollhardt)

10 Katharina Dröge Foto grossVerriegelte Ladentüren, dunkle Restaurants, leere Cafés und nur eine Handvoll Menschen auf der Straße. Wer im vergangen Jahr die deutschen Innenstädte und Ortskerne besuchte, wurde oft mit einer traurigen Kulisse konfrontiert. Was für Konsument*innen meist nur eine verpasste Shopping-Gelegenheit oder ein ausgefallenes Abendessen mit Freund*innen und Familie war, bedeutete für viele Ladenbesitzer*innen und ihre Mitarbeiter*innen Existenzangst.

Monatelange Schließungen haben vielen Geschäften schwer zugesetzt. Die Hilfen von Wirtschaftsminister Altmaier und Finanzminister Scholz kamen zu spät, waren chaotisch und wenig zielgerichtet. Neue Zahlen zeigen, dass das Chaos sogar viele Unternehmen in Krisenbranchen davon abgehalten hat die Überbrückungshilfen überhaupt erst zu beantragen. Planbarkeit und Voraussicht waren und bleiben für die amtierende Bundesregierung Fremdwörter. Umso wichtiger ist, dass der Neustart für den Handel nach der Krise jetzt gelingt. Doch dieser Neustart ist eine Mammutaufgabe, denn unsere Innenstädte und Ortskerne stehen überall vor einem Umbruch.

Kurzfristig müssen zunächst die finanziellen Folgen der Pandemie aufgearbeitet und krisengeschüttelte Händler*innen finanziell entlastet werden. Es ist daher wichtig, dass die Überbrückungshilfe III erneut verlängert wurde. Vielen Unternehmen bereiten aber auch ausstehende Steuerzahlungen Kopfzerbrechen. Eine Maßnahme, die hier schnelle Abhilfe schaffen würde, ist die Ausweitung des Verlustrücktrag auf vier Jahre. Das ist zielgenau, da nur Unternehmen Verluste rücktragen können, die vor der Krise profitabel waren und es kostet den Staat nicht mal viel Geld, da der Verlustrücktrag in den meisten Fällen nur eine Steuerstundung bedeutet. Es ist daher völlig unverständlich, dass sich Olaf Scholz gegen alles andere als eine Mini-Ausweitung mit Händen und Füßen wehrt. Im Moment ist die konjunkturelle Lage relativ stabil. Wenn die Nachfrage aber schwächelt, können auch Kauf-vor-Ort-Gutscheine ein gutes Mittel sein, um stationären Einzelhandel, Gastronomie und Kultur gezielt zu stabilisieren und zu stärken.

Die langfristigen Herausforderungen, denen sich die Innenstädte gegenüber sehen, werden sich allerdings nicht mit Steuererleichterungen oder Gutscheinen lösen lassen. Immer mehr Menschen kaufen online. Fußgängerzonen, die sich in vielen Städten zum Verwechseln ähnlich sehen und verwaiste Ortskerne tragen nicht gerade dazu bei, dass sich dieser Trend umkehrt. Die Pandemie und geschlossene Läden taten ihr Übriges und gewöhnten viele Leute an die schnelle Bestellung per App. Steigende Innenstädten-Mieten und Einkaufszentren auf der grünen Wiese erschweren die Lage der Einzelhändler*innen zusätzlich.

Doch attraktive Innenstädte und Ortskerne sind ein wichtiger Teil der Daseinsvorsorge. Sie sollen ein Ort der Begegnungen, der schnellen Wege, des kulturellen Austausches und der Lebensqualität sein – denn Innenstädte sind ein Stück Heimat. Und nicht zuletzt sind sie ein bedeutender Wirtschaftszweig, der Millionen Arbeitsplätze sichert. Es sollte uns allen daran gelegen sein, Innenstädte wieder attraktiver, vielfältiger, grüner und lebendiger zu machen. Damit das gelingt, brauchen wir eine kluge Stadtentwicklungspolitik, die darauf achtet, dass eine gute Mischung in den Innenstädten herrscht. Läden, Kitas, Wohnraum, kulturelle Projekte und Handwerk. Vielfalt ist attraktiver als Einheitsbrei. Viele Kommunen haben aber wenig Geld für eine Umgestaltung der Städte und Ortskerne. Ein neuer Städtebau-Notfallfonds mit einem Volumen von 500 Mio. Euro sollte als Starthilfe dienen. Statt Leerstand hinnehmen zu müssen, können Kommunen Immobilien aufkaufen und durch attraktive Angebote mit Leben füllen. Und damit auch kleinere Unternehmen eine Chance haben sich zu etablieren, braucht es ein faireres Gewerbemietrecht.

Bessere Verkehrskonzepte und Grünflächen sorgen für mehr Aufenthaltsqualität in Innenstädten und Ortskernen. Damit sich die Menschen wohl fühlen, müssen Autolärm und schlechte Luft in diesen Lagen der Vergangenheit angehören. Stattdessen brauchen wir eine Infrastruktur, die Fahrrädern und Fußgängern Vorrang gewährt und die Orte durch gute ÖPNV-Anbindung leicht erreichbar macht. Dass das klappt, zeigen Städte wie Paris oder Barcelona.

Wenn es ums Online-Geschäft geht, kann der lokale Einzelhandel nicht mit Internetriesen wie Amazon mithalten. Aber es gibt durchaus eine Menge ungenutztes Potential, das sich mit einer Digitalisierungsoffensive heben lässt. Grundlage dafür ist ein massiver Breitband-Ausbau und schnellere Planung, gerade im ländlichen Raum. Darüber hinaus gibt es viele innovative Projekte, wie lokale Online-Marktplätze oder Lieferdienste, die ein attraktives Angebot für die Kund*innen und eine gute Ergänzung zum Ladengeschäft sein können. Solche Smart City Modelle sollten mit 290 Millionen Euro gefördert werden.

Szenen verödeter Innenstädte gehören zu den Erinnerungen an den schweren Lockdown, dürfen aber keinesfalls Normalität werden. Wir müssen unsere Innenstädte und Ortskerne retten und fit für die Zukunft machen. Und damit müssen wir gleich heute loslegen.

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