Den Neustart für Einzelhandel und Innenstädte konsequent umsetzen
18.119.163.95Maik Außendorf, Mitglied des Bundestages und digitalpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Mitglied im Digital- und Wirtschaftsausschuss
Ein Beitrag von Maik Außendorf, Mitglied des Bundestages und digitalpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen, Mitglied im Digital- und Wirtschaftsausschuss (Foto: Stefan Kaminski)
Über zwei Jahre Pandemie haben unser Einkaufsverhalten auf Online-Marktplätze verlagert und den Strukturwandel der Innenstädte beschleunigt. Die neu erlernten Muster werden auch nach COVID 19 bleiben, doch kann die Digitalisierung entscheidend für die Etablierung von nachhaltigem Konsum sein, wenn ordnungspolitisch faire Wettbewerbsbedingungen garantiert werden. Statt in gesichtslosen Gewerbegebieten oder Einkaufszentren auf der grünen Wiese zu konsumieren, werden wir uns in lebenswerten Innenstädte als Begegnungs- und Kulturort wohlfühlen.
Digitalisierung für nachhaltigen Konsum nutzen
Für alle, die nachhaltig und achtsam konsumieren möchten, eröffnet die Digitalisierung großartige Optionen und Chancen. Ökologisch erzeugte Lebensmittel oder nachhaltige Textilien können unkompliziert bestellt werden, eine Vielzahl an Apps ermöglichen Transparenz über die Verhältnisse der Produktion und Lieferketten und ökologische oder regionale Online-Marktplätze platzieren sich im Wettbewerb als Alternative zu den Platzhirschen. Doch sind die Plattformen Segen und Fluch zugleich. Einerseits eröffnen sie Unternehmen neue Vertriebs- und Marketingmöglichkeiten und ermöglichen Zugang zu Märkten und Kunden. Andererseits stehen hinter diesen Plattformen oft große Konzerne, die erhebliche wirtschaftliche Macht ausüben können. Das erschwert einen fairen Wettbewerb und zwingt insbesondere kleinere und mittelständische Unternehmen in Abhängigkeiten.
Derzeit verhindern wenige große Plattformen und Tech-Player, dass alternative Geschäftsmodelle auch kleiner und mittelständischer Unternehmen eine Chance am Markt haben und somit Verbraucher*innen Wahlfreiheit zwischen verschiedenen Diensten – zum Beispiel anhand ihrer Datenschutzstandards, Bedienkomfort oder Angebotsstruktur – bekommen. Mit dem nun auf Europäischer Ebene angestrebten Gesetz über Digitale Märkte schiebt die EU der Marktdominanz von Google und Co. endlich einen Riegel vor. Denn es ist nicht allein individuelle Verantwortung sich der Macht der Tech-Konzerne entgegenzustellen, sondern braucht politische Rahmenbedingungen für einen fairen Wettbewerb zwischen Geschäftsmodellen digitaler Großunternehmen und den lokal verwurzelten Unternehmen. Nur so kann der Stereotyp vom Traum des Besitzschaffens – vom Tellerwäscher zum Millionär, meine Villa, mein SUV, mein Pelzmantel – durch einen Traum von einer nachhaltigen Lebensqualität – Work-Life-Balance, Wohlergehen, Kulturteilhabe – abgelöst werden.
Lebendige Innenstädte fördern
Entsprechend werden lebenswerte Innenstädte in Zukunft das Herz einer jeden Kommune sein. Diese brauchen einen bunten Mix aus Einkaufsmöglichkeiten, Gastronomie, Dienstleitungen und Kultur sowie Orte zum konsumfreien Verweilen. Aufenthaltsqualität und nachhaltige Verkehrskonzepte sind die besten Voraussetzungen, dass der Einzelhandel und das Handwerk auch in Mittelstädten und kleinen Stadtzentren eine Zukunft haben. Mit dem Förderprogramm „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ des Bundesministeriums für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen fördert der Bund nun mit um das Zehnfache auf 250 Mio. Euro erhöhten Fördermitteln in einer Vielzahl an Städten und Gemeinden den anstehenden Transformationsprozess von bislang stark einzelhandelsgeprägten Quartieren hin zu neuen Identifikationsorten der Kommunen. Die positive Resonanz auf den Projektaufruf zeigt den großen Handlungsbedarf in den Innenstädten und ermöglicht eine breite Bundesförderung für die zukunftsfähige Entwicklung von Innenstädten, Stadtteil- und Ortszentren.
Es ist an der Zeit für eine ganzheitliche, grüne Wirtschaftspolitik, die sich nicht in Einzelbereichen verhakt, sondern das Feld öffnet für eine konzeptionelle Antwort im Sinne einer sozial-ökologischen Marktwirtschaft, bei der die öffentliche Hand Innovationen vorantreibt und einen ordnungspolitischen Rahmen setzt, in dem sich die freien Kräfte des Marktes entfalten können.
Auch das handelsjournal widmet sich in seiner Ausgabe 1/2022 dem Schwerpunkt "Neuer Konsum".
Sie sind Mitglied in einem unserer Handelsverbände und bekommen das handelsjournal nicht nach Hause gesendet? Dann melden Sie sich bitte bei Ihrem Landesverband (https://einzelhandel.de/regionen), Ihre Mitgliedschaft beinhaltet ein kostenloses Exemplar. Sie sind nicht Mitglied und wollen das handelsjournal abonnieren? Hier gibt es mehr Informationen: https://www.handelsjournal.de/abo.html