Lebendige Innenstädte und Quartiere bedeutet Vielfalt und Nutzungsdurchmischung
44.222.134.250Anja Liebert, Bundestagsabgeordnete für Bündnis 90/Die Grünen, Mitglied im Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen
Ein Beitrag von Anja Liebert, Bundestagsabgeordnete für Bündnis 90/Die Grünen, Mitglied im Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen (Foto: W. Sondermann)
Der Einzelhandel, das Shoppingerlebnis und ein umfangreiches Konsumangebot sind ohne Zweifel wichtige Gründe für einen Besuch in der Innenstadt. Nicht nur der Einzelhandel hat harte, ja zwei existenzbedrohende Corona-Jahre hinter sich. Durch Leerstand und Schließung kultureller und gastronomischer Einrichtungen haben die Innenstädte an Attraktivität und Anziehungskraft eingebüßt. Wir alle hoffen, dass die Pandemie und die damit verbunden Einschränkungen endgültig hinter uns liegen und auch der Tourismus, das Gastgewerbe, Kultureinrichtungen und öffentliche Veranstaltungen in Kunst, Kultur und Sport das Leben und soziale Miteinander wieder aufblühen und das intensive Leben in die Städte und Gemeinden zurückkehrt. Das Erlebnis Stadt und die lebendige und vielfältige Innenstadt war und ist allerdings immer mehr als nur Konsum und Shopping. Die Kommunen sind aufgefordert, durch kluge Stadtplanung und Aufwertungsmaßnahmen die Innenstädte vor Verödung zu bewahren. Die Ansiedlung von Shoppingcentern am Stadtrand ist nun mal eine Bedrohung für kleine inhabergeführte Läden in den Innenstädten. Der Einzelhandel sollte die Chancen der Digitalisierung erkennen und ausbauen und an „smarten“ Lösungen arbeiten, im Sinne guter Internetauftritte und Marketingkonzepte, die wiederrum mehr Kunden in die Läden vor Ort bringen.
Städte sind Orte der Vielfalt, Kreativität und Solidarität. Lebendige Quartiere bedeutet eine vielfältige Nutzungsdurchmischung: Arbeiten, Wohnen, Erholung, Freizeitangebote, Kultur und Gemeinschaft in allen Lebensphasen unmittelbar nebeneinander im Quartier sollten Ziel einer zeitgemäßen Stadtentwicklungspolitik sein. Die europäische Stadt folgt dem Leitbild der sozialen und funktionalen Durchmischung und ist Identifikationsort seiner Bewohnerinnen und Bewohner. Wir Grüne wollen dieses Leitbild um die Themen Nachhaltigkeit – im Sinne der 17 Nachhaltigkeitsziele der UN und des Green Deals der EU – und einer breiten Bürgerbeteiligung und transparentem Verwaltungshandeln in Fragen der Stadtentwicklung ergänzen. Darüber hinaus setzen wir uns für mehr Freiflächen, Parks und Grün in der Stadt ein, um eine hohe Aufenthalts- und Lebensqualität sowie ein gesundes Stadtklima – jenseits des Konsumzwanges und der wirtschaftlichen Verwertung – zu realisieren. Maßnahmen des Klimaschutzes, zur Anpassung an den Klimawandel und zur Verbesserung der grünen Infrastruktur sind ein fester Bestandteil der Städtebauförderung des Bundes. Mit dem Bundesprogramm „Anpassung urbaner Räume an den Klimawandel“ gibt es ein weiteres wichtiges Instrument, um die Städte klimaresilient und grüner zu gestalten und damit die Aufenthaltsqualität zu sichern und zu erhöhen. Eine Fahrrad- und Fußgängerfreundliche „Stadt der kurzen Wege“, flankiert von einem gut ausgebauten integrierten öffentlichen Personennahverkehr, runden unsere Vorstellung einer grünen und nachhaltigen (Innen-)Stadt der Zukunft ab.
Die Bundesprogramme der Städtebauförderung und das Programm „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ sind als lernende Programme angelegt, die auf den andauernden Strukturwandel und sich ändernde Funktionen und Nutzungsverhalten im öffentlichen Raum angemessen reagieren sollen.
Wir haben uns vorgenommen, die Programme weiterzuentwickeln, anzupassen und auch finanziell besser auszustatten. Gute Stadtentwicklungspolitik sollte öffentliche, wirtschaftliche und private Interessen in Einklang bringen. Wirtschaftsförderung, Kurzarbeitergeld und Überbrückungshilfen haben uns vor größeren Verwerfungen in den besonders betroffenen Branchen bewahrt. Die jüngsten Entlastungspakete in Folge der enorm gestiegenen Energiepreise und Inflation sollen verhindern, dass Menschen in Armut fallen und vom öffentlichen Leben und der Daseinsvorsorge ausgeschlossen werden. Die Politik muss eine weitere Spaltung der Gesellschaft in arm und reich verhindern, dies hilft auch den Städten, dem sozialen Zusammenhalt, der lokalen Wirtschaft und am Ende dem Einzelhandel.
Auch das handelsjournal widmet sich in seiner Ausgabe 3/2022 dem Schwerpunkt "Neubestimmung des Standorts Innenstadt".
Mehr Informationen zum Heft unter https://bit.ly/3OVizDi