Innenstädte haben Zukunft – vorausgesetzt wir schaffen ein lebendiges, nachhaltiges Miteinander von Versorgung, Wohnen, Wohlfühlen und Arbeiten
13.59.183.186Manfred Todtenhausen, Bundestagsabgeordneter und FDP-Berichterstatter für den Einzelhandel im Bundestagsausschuss für Wirtschaft
Ein Beitrag von Manfred Todtenhausen, Bundestagsabgeordneter und FDP-Berichterstatter für den Einzelhandel im Bundestagsausschuss für Wirtschaft (Foto: DBT/ Stella von Saldern)
Lebendige Ortskerne und Innenstädte sind Ausdruck für die Vitalität unserer Gesellschaft und das funktionierende Zusammenleben und Vielfalt in unseren Städten und Gemeinden. Sozialer Austausch, die Versorgung mit Dienstleistungen und Konsumgütern, citynahes Wohnen, gute Anbindung von innerstädtischen Arbeits- und Ausbildungsstätten sowie müheloser Zugang zu Kultur- und Bildungseinrichtungen – ohne attraktive und erreichbare Ortsmitten ist dies nur schwer zu erzielen. Neu sind die Probleme indes nicht, vielmehr befinden sich die Zentren schon seit Jahren im Umbruch. Die Schließungen vieler Kauf- und Warenhäuser sowie die Krise des Nonfood-Handels und der Gastronomie insgesamt bedrohen diese Vitalität der Städte: Ohne ein gezieltes Umsteuern wird sich der Trend einer rückläufigen Passantenfrequenz, einer wachsenden Monotonie durch Filialisierung in den Top-Lagen sowie einer sich immer weiter verschlechternden Aufenthaltsqualität noch verstärken. Das Ziel muss sein, dass wir Quartiere entwickeln, in denen Wohnen, Leben, Arbeiten, Freizeitgestaltung und Einkaufen verkehrsnah zusammen gehören.
Hinzu kommt der Veränderungsdruck aufgrund der Verlagerung des Handels in die Online-Welt. Gerade in kleineren Kommunen macht sich dies inzwischen durch zunehmende Leerständen aufgrund von aufgegebenen Geschäften und fehlenden Nachmietern sowie einem Funktionsverlust der Fußgängerzonen bemerkbar. Mehr noch: Erst die Corona-Pandemie, jetzt die breite Inflation und die weiter vorherrschenden Sorgen um den Ukraine-Krieg und die damit verbundenen Fragen nach Energieversorgung und –sicherheit lassen die Verbraucherstimmung auf einen Tiefstand fallen. Die Preissteigerung treibt die Ängste und lässt die Menschen sparen, obwohl nach Corona ja viel Geld zum Konsum vorhanden war und durch Sommer- und Urlaubslaune angefacht werden sollte.
In diesem Umfeld muss sich der Einzelhandel die neuen Einkaufsmuster seiner Kundschaft analysieren und in allen seinen Sparten zunutze machen: Während Online-Händler auch in der Krise bisher von für sie vorteilhaften Vertriebsbedingungen und verändertem Konsumverhalten profitierten und ihr Anteil am Handel weiterhin steigt, leiden viele stationäre Fachhändler ohne E-Shop und Anbindung an Plattformen und digitale „Market Places“ unter der Flaute in vielen Innenstädten.
Mit vielen Initiativen will die Bundesregierung den Einzelhandel lokal und digital zukunftsfit machen, wie es der Koalitionsvertrag in einem eigenen Kapitel zum Einzelhandel zeigt. Dazu gehört auch die Förderung von Digitalisierung für mehr hybride Vertriebswege: Denn gerade Fachgeschäfte - also kleine und mittlere Betriebe (KMU) des stationären heimischen Einzelhandels - müssen in Zeiten nach Corona im Wettbewerb mit dem Handel auf großen digitalen Einkaufsplattformen mithalten können, um nicht weiter verdrängt zu werden. Zur digitalen Förderung werden etwa besondere Programme zum Ausbau hybrider Geschäftsmodelle und technologische Beratung von KMU aus dem Einzelhandel durch Verbände, Kammern, Beratungsstellen und (Fach-)Hochschulen beitragen, die wir ausbauen und verstetigen wollen. Auch in der Vernetzung von Start-ups und traditionellem Einzelhandel sehen wir Chancen, um Online-Geschäftsmodelle für Einzelunternehmen wie Handelsgenossenschaften in der Fläche zu realisieren und die Prozesse nachhaltig zu digitalisieren.
Zusätzlich brauchen wir neue Nutzungskonzepte und die Novellierung des Baugesetzbuchs, um Hemmnisse im Bauplanungs- und Bauordnungsrecht auf allen föderalen Ebenen zu beseitigen. Wir werden das Förderprogramm „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ und die Innenstadtstrategie des Bundes fortsetzen, insbesondere das Programm „Lebendige Zentren“ im Rahmen der Bund-Länder-Städtebauförderung. Denn wir müssen die Attraktivität der Innenstädte steigern und Einkaufen zum Erlebnis machen. Für mich gehört da irgendwann die Lockerung von Öffnungszeiten an Sonn- und Feiertagen dazu, die Ladengeschäfte und eine ansprechende Gastronomie wirtschaftlich stärkt - auch wenn dies verfassungsrechtlich schwierig ist und in die Kompetenz der Länder gehört.
Auch das handelsjournal widmet sich in seiner Ausgabe 3/2022 dem Schwerpunkt "Neubestimmung des Standorts Innenstadt".
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