Impulse für Einzelhandel und Innenstädte
3.137.169.56Martin Diedenhofen, SPD-Bundestagsabgeordneter
Ein Beitrag von Martin Diedenhofen, SPD-Bundestagsabgeordneter (Foto: photothek.net)
Durch die Digitalisierung und den Onlinehandel haben unsere Innenstädte in den vergangenen Jahren einen Wandel erfahren. Sie unterliegen aber schon immer Veränderungsprozessen, da sie sich immer neuen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen anpassen mussten. So wandelte sich mit Aufkommen der Konsumgesellschaft und der Eröffnung großer Warenhäuser und Fachgeschäfte Anfang des 20. Jahrhunderts der Stellenwert von traditionellen Marktplätzen im Ortskern als Mittelpunkt des Handels. In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kam es zu einer zunehmenden Filialisierung des Einzelhandels, zur Entstehung von Fußgängerzonen und der Ansiedlung von Möbelhäusern, Baumärkten, Supermärkten oder Einkaufszentren an den Stadträdern. Seit den 2000er-Jahren bekam dann der gesamte stationäre Einzelhandel Konkurrenz durch den Onlinehandel, der in der Pandemie noch einmal kräftig gewachsen ist. Auch wenn die Transformation deutscher Innenstädte kein neues Phänomen darstellt, bleiben die damit einhergehenden Herausforderungen doch hoch.
Um im Strukturwandel gegenüber dem reinen Onlinehandel bestehen zu können, braucht der stationäre Einzelhandel attraktive Rahmenbedingungen. Es braucht einen fairen Wettbewerb zwischen den Geschäftsmodellen digitaler Großunternehmen und den Geschäftsmodellen lokal verwurzelter Unternehmen. Der innerstädtische Einzelhandel profitiert aber auch von einer digitalen Weiterentwicklung. So hat sich gezeigt, dass stationäre Händlerinnen und Händler, die ihre Waren auch online anbieten und über verschiedenen Kommunikationskanälen mit ihren Kundinnen und Kunden in Dialog treten, deutlich wachsen.
Die Entwicklung der Innenstädte und die Entwicklung des Einzelhandels sind eng verknüpft. Wenn wir den Einzelhandel stärken und ihn in der Konkurrenz zum Online-Handel fit machen wollen, müssen wir unsere Innenstädte revitalisieren. Denn welchen Vorteil bieten Innenstädte im Vergleich zum Einkaufen per Mausklick? Sie machen das Einkaufen zum Erlebnis. Innenstädte sind Orte des Austauschs und der Vernetzung, des Handels, aber auch der Sehenswürdigkeiten, der Kultur, der Bildung, der Gastronomie und Orte für politische Meinungsäußerungen, Kundgebungen und Proteste. Die Funktion der Innenstädte geht also weit über den bloßen Warenaustausch hinaus. Sie sind neben ihrer wirtschaftlichen Bedeutung vor allen Dingen soziale, politische und kulturelle Zentren unseres Gemeinwesens. Dies sollte bei der Entwicklung neuer Innenstadtentwicklungskonzepte im Blick behalten werden. Denn: wir alle wollen lebendige Städte, Marktplätze und Quartiere. Wir wollen, dass sie Treffpunkt bleiben. Im Koalitionsvertrag haben wir uns daher darauf verständigt, das Förderprogramm „Zukunftsfähige Innenstädte und Zentren“ (mit einem Gesamtfördervolumen von 250 Mio. Euro) und das Programm „Lebendige Zentren“ (mit einem Fördervolumen von 300 Mio. Euro in diesem Jahr) im Rahmen der Städtebauförderung von Bund und Ländern fortzuführen und bekennen uns darüber hinaus zur Innenstadtstrategie.
Weitere Ansatzpunkte sind die Stärkung des innenstädtischen Wohnens und eine Verbesserung der infrastrukturellen Voraussetzungen. Von einer Stadt der kurzen Wege profitiert auch der Einzelhandel. Der Weg von der Wohnung in die Geschäfte muss aber nicht nur kurz, sondern auch angenehm, barrierefrei und sicher sein. Das bedeutet, dass sowohl die Verkehrswege und das Angebot öffentlicher Verkehrsmittel den heutigen Bedürfnissen angepasst werden müssen als auch öffentliche Plätze und Grünräume eine andere Qualität erhalten sollten.
Gelingt es uns, alle hier genannten Aspekte zu verknüpfen und die nötigen funktionalen, städtebaulichen und immobilienwirtschaftlichen Anpassungen vorzunehmen, wird der Einzelhandel auch in Zukunft der zentrale Bestandteil von attraktiven Innenstädten sein.
Auch das handelsjournal widmet sich in seiner Ausgabe 3/2022 dem Schwerpunkt "Neubestimmung des Standorts Innenstadt".
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