Die Zukunft der EU: Wirtschaftliche Stärke und soziale Sicherheit im digitalen und nachhaltigen Wandel
18.117.10.207Katarina Barley (SPD), Vizepräsidentin und Abgeordnete im Europäischen Parlament
Ein Beitrag von Katarina Barley (SPD), Vizepräsidentin und Abgeordnete im Europäischen Parlament
Die Europäische Union von 2025 ist eine andere als die von vor fünf Jahren. Im Jahr 2020 stand noch die Frage des Klimaschutzes im Fokus der politischen Debatte um die Europawahl. In diesem Jahr debattieren wir über den digitalen Wandel, gerade durch Künstliche Intelligenz, die Gefahr durch rechtsextreme Tendenzen, Rechtsstaatsdefizite, gemeinsame Verteidigung und über soziale Spannungen. Diese Themen gesellen sich gleichwertig zur der sich vertiefenden Klima- und Naturschutzkrise. Ein Thema verbindet alle: die wirtschaftlichen Herausforderungen, vor denen Europa steht. Eine wirtschaftlich starke EU, die aus dem nachhaltigen und digitalen Wandel Kraft schöpft, ist die Basis dafür, all die anderen Probleme zu meistern.
Europa ist wirtschaftlich – gerade aufgrund des beherzten Einsatzes Deutschlands – vergleichsweise gut durch die Corona-Krise gekommen. Dank des Wiederaufbaufonds und des europäischen Kurzarbeitergeldes ist das Wachstum in vielen Mitgliedsstaaten hoch und die Arbeitslosigkeit niedrig geblieben. Aber heute fordern uns China und auch die USA wirtschaftlich heraus. Die USA haben im Wettbewerb um digitale und Nachhaltigkeitsindustrien sehr viel Geld in die Hand genommen, um Investitionsanreize zu schaffen. China schafft sich durch direkte Beihilfen für viele Industrien einen großen Wettbewerbsvorteil. Europa braucht, das ist klar, Antworten auf diese veränderte Lage.
Um unsere Wirtschaftskraft zu stärken, müssen wir den gemeinsamen europäischen Weg konsequent weitergehen. Dazu gehören zielgerichtete Investitionen, um die digitale und nachhaltige Transformation zu meistern. Hier zu fordert der Bundeskanzler ganz richtig, die Kapitalmarkunion zu vollenden. Ein zentraler Schritt, um Kapital zu beschaffen und viele am Wachstum zu beteiligen.
Zugleich müssen wir ein Umfeld schaffen, in dem Unternehmen gut arbeiten können. Für eine erfolgreiche aktive Wirtschaftspolitik müssen wir die Fähigkeit haben, strategische Entscheidungen auf europäischer Ebene zu treffen. Dazu müssen wir gleichzeitig Bürokratie verantwortungsvoll abbauen, um Planungsprozesse zu beschleunigen und Raum für Unternehmertum und Kreativität zu schaffen.
Schließlich ist es für die Zukunft der EU wesentlich, dass wir in allen Mitgliedstaaten einen funktionierenden Rechtsstaat haben. Auch der Handel bekommt zu spüren, wenn etwa in Ungarn ausländische Handelsunternehmen drangsaliert und Unionsrecht ignoriert wird. Hier erwarte ich von der kommenden Kommission ein klares Durchgreifen.
Die EU ist mehr als ein Binnenmarkt. Europa muss in der aktuellen Transformation seine sozialen Grundwerte hochalten. Der notwendige Wandel wird von vielen Menschen eine Anpassungsleistung verlangen – in diesem Wandel benötigen sie soziale Sicherheit. Europa muss einen besonderen Fokus auf solche Regionen legen, die von der Transformation bisher nicht profitieren, aber auch auf solche, aus denen Menschen aufgrund gestiegener Lebenshaltungskosten verdrängt werden. Nur wenn die Menschen genug Geld für ein gutes Leben haben, gibt es eine hohe Binnennachfrage.
In der Transformation müssen wir zugleich den Anspruch haben, Arbeitskräfte nicht zurückzulassen, die den Anschluss an den Wandel verlieren könnten. Hier leistet der Handel, der jedes Jahr viele Menschen aus- und weiterbildet, einen entscheidenden Beitrag.
Zudem ist für mich wichtig: Wir müssen den Wandel auch weiblich gestalten. Wir müssen das Potential, das Frauen für unsere Wirtschaft haben, besser nutzen. Es gilt Unternehmerinnen und Gründerinnen ebenso wie weibliche Führungskräfte zu stärken – wobei gleicher Lohn für gleiche Arbeit endlich voll umgesetzt gehört. Dabei kann der Handel auch als Vorbild dienen - dort gibt es bereits heute überproportional viele von Frauen-Teams geführt Startups - ein starkes Signal!
Die Zukunft des europäischen Binnenmarktes und damit die wirtschaftliche Stärke Europas in der Welt wird ein wesentliches Thema für die kommende Kommission und das neu gewählte Parlament. Europa wird von sozialen Marktwirtschaften getragen. Diese im globalen Vergleich besondere Eigenschaft macht unsere Gesellschaften aus. Wirtschaftliche Stärke und soziale Sicherheit gehören in Europa immer zusammen. Wenn wir diesen Grundsatz beherzigen, werden wir die vielen Herausforderungen, die vor uns liegen, zusammen meistern.
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