Gründungsoffensive Innenstadthandel und Ansiedlungsmanager
Innenstädte als Handelsstandorte weiterentwickeln und erhalten
Hintergrund:
Gemäß der Studie „Räumliche Auswirkungen von Online-Handel auf Innenstädte, Stadtteil- und Ortszentren“ die der Handelsverband Deutschland (HDE) in Zusammenarbeit mit dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) 2016 erarbeitet hat, wurde bereits vor der Corona-Krise ein massives Anwachsen des Leerstandes, insbesondere in den Innenstädten, prognostiziert. Die Forscher bezogen den Anstieg der Leerstände allein auf die Umsatzverschiebungen zugunsten des Online-Handels.
- Diese bereits dramatischen Annahmen müssen in Bezug auf den Lockdown sowie die immer noch bestehenden Folgen der Pandemie abermals verschärft werden.
- Die Lage für viele mittelständische Handelsunternehmen und zahlreiche Innenstädte in Deutschland wird immer schwieriger. Die laufenden Befragungen unserer Mitglieder sowie Ergebnisse externer Studien belegen, dass etliche Innenstädte immer noch unter einem Kundenschwund als Folge der Digitalisierung sowie der Corona-Krise leiden. So berichtete über die Hälfte der Händler von weiterhin nicht zufriedenstellenden Kundenfrequenzen, die ein wirtschaftlich auskömmliches Handeln vielfach nicht ermöglichen.
- Leider ist festzuhalten, dass in den letzten drei Jahren ca. 41.000 Handelsgeschäfte aufgeben mussten. Das sind mehr Geschäftsaufgaben als in den Jahren 2010 bis 2019 (39.000 Geschäfte).
- Nach Aussage des Bundesverbandes der Immobilien-Investment-Sachverständigen (BIIS) wird ein verlorenes Handelsunternehmen jedoch kaum zu ersetzen sein, sodass infolgedessen die Versorgungsdiversität vor Ort sinkt und ein Stück „Heimat“ verloren geht (78% der Bundesbürger bewerten den „Verlust alteingesessener Geschäfte“ als „Bedrohung der Heimat“; Allensbach Institut 2018)
- In der Folge werden die bereits 2016 prognostizierten online-induzierten Leerstände nochmals erhöht, sodass es zum Absterben ganzer Handelsstandorte kommen kann. Leider liegt die Leerstandsquote in den B-Lagen der Klein- und Mittelstädte bereits bei 25 Prozent (ivd-Studie; Immobilienverband Deutschland)
- Gleichzeitig hat die Deutschland Studie Innenstadt 2022 jüngst noch einmal herausgestellt, dass der Einzelhandel mit Abstand die wichtigste Funktion in Bezug auf die Anziehungskraft der Innenstädte ist.
- Infolgedessen werden die Probleme der Händler die Innenstädte als Ganzes ins Wanken bringen. Wo der Handel stirbt, sterben Stadtzentren und Dorfgemeinschaften.
- Der Handel ist nicht nur „Versorger der Bevölkerung“, sondern zeichnet sich auch durch sein vielfältiges gesellschaftliches Engagement vor Ort aus und ist zudem „Pfleger des Kulturraumes Innenstadt“. Diese Leistungen sind in Gefahr.
- Es zeichnet sich bereits jetzt ab, dass der Verlust von Handelsgeschäften aus den letzten Jahren kaum durch Neugründungen zu kompensieren sein wird.
- Daher muss es oberstes Ziel der Politik sein, neben dem Erhalt der ansässigen Einzelhändler insbesondere neuen, innovativen Gründerinnen und Gründern unbürokratisch den Weg zum innerstädtischen Geschäft zu ebnen.
- Es bedarf einer „Gründungsoffensive Innenstadthandel“.
- Bestenfalls werden hierfür leergefallende Handelsflächen genutzt, um bestehende Handelslagen zu stabilisieren, indem Kopplungseffekte zwischen den Handelsangeboten ermöglichen werden. Das BMWK hat durch die Leerstandssoftware LeAn ein geeignetes Tool zur Vermarktung dieser Flächen entwickelt. Jedoch fehlt es an qualifiziertem Personal, welches die Erfassung und Bewertung dieser Flächen vornehmen kann, sowie durch Branchenkenntnisse in der Lage ist, diese Flächen für die richtigen Handelskonzepte bereitzustellen.
- Es bedarf der „bundesweiten Implementierung von Ansiedlungsmanagerinnen und -managern“.
Lösung:
- In etlichen Städten bestehen seit Jahren kommunale Gründerzentren, die Gründern (Start-ups) vornehmlich aus dem Bereichen Produktion und Dienstleistungen gute Einstiegsvoraussetzungen für die Gründung einer eigenen Firma bieten. Die Kommunen erhoffen sich dadurch, dass einige dieser Firmen am Markt bestehen und sich perspektivisch mit dem eigenen Standort in der betreffenden Stadt dauerhaft etablieren.
- Da der innerstädtische Einzelhandel an den Standort „Innenstadt“ gebunden ist, konnte der Einzelhandel bisher von den kommunalen Gründerzentren nicht profitieren.
- Das Starthilfeprogramm „Gründungsoffensive Innenstadthandel“ nutzt die jahrzehntelange Erfolgsgeschichte der Gründerzentren, koppelt diese mit dem innerstädtischen Einzelhandel und reduziert gleichzeitig die Leerstandsproblematik in den Innenstädten
- Konkret – Gründungsoffensive Innenstadthandel
- Die Gründerinnen und Gründer erhalten einen Zuschuss für maximal 60 Monate
- Gefördert wird ein degressiver Zuschuss zu den Raumkosten (z. B. im ersten Jahr: 30% der ortsüblichen Raumkosten)
- Gefördert werden die Geschäftseinrichtung und ähnlichen Kosten, welche die Gründung eines Einzelhandelsbetriebes erfordert
- Gefördert wird die Beschaffung eines ersten Warenbestandes
- Gefördert wird die Datenverarbeitung inklusive des Kassensystems und eines digitalen Warenwirtschaftssystems
- Gefördert werden Marketingmaßnahmen
- Der Zuschuss wird pauschal, ohne Nachweis der einzelnen entstandenen Kosten gewährt
- Zudem
- Die Förderung inkludiert zudem laufende Schulungen z. B. in Betriebsführung, Marketing (Pflichtteilnahme für die Gründerinnen und Gründer)
- Die Förderung inkludiert die Mitgliedschaft im ortsansässigen Gewerbeverein oder City- bzw. Stadtmarketing als Austausch und Kommunikationsnetzwerk
- Konkret – Ansiedlungsmanager
- Schulung zur Leerstandserfassung und -bewertung:
Die sachgerechte Erfassung der Leerstände ist ohne vertiefende Erkenntnisse zur Lagegunst oder den baulichen Möglichkeiten einer Immobilie (z. B. Statik) nicht ohne weiteres möglich. Es ist eine Aufgabe für Spezialisten. Diese Aufgabe ist in den bestehenden Verwaltungsstrukturen kaum zu leisten, da Sachverstand aus unterschiedlichen Verwaltungsbereichen wie z. B. der Wirtschaftsförderung, des Liegenschaftsamtes, des Ordnungsamtes oder auch der Stadtplanung zusammen gedacht werden müssen. Zu diesen Fragen muss Spezialwissen innerhalb von Schulungen vermittelt werden. - Schulung zur Leerstandsvermittlung:
Zudem ist die Erfassung und Bewertung nur der erste Schritt in Bezug auf eine rasche Wieder- bzw. Umnutzung eines Leerstandes. Zudem müssen diese Informationen mit dem Wissen zu den privatwirtschaftlichen Rahmenbedingungen gekoppelt werden. Daher müssen Erfahrungen und Kenntnisse zu den jeweiligen potenziellen neuen Nutzern vorliegen, so dass Empfehlungen ausgesprochen werden können und fachlich fundierte Gespräche mit den gewünschten Nutzern geführt werden können. Zu diesen Fragen muss Spezialwissen innerhalb von Schulungen vermittelt werden. - Regelmäßige Austauschformate mit potenziellen Nutzern:
Die Kommunen sollten dazu regelmäßige Austauschformate u. a. mit dem Handel, der Gastronomie und den Immobilieneigentümern ins Leben rufen. Nur in dieser Kooperation besteht die Chance, die Interessen der Innenstadtakteure im Sinne einer zukunftsfähigen Innenstadtentwicklung auszugleichen und den Sachverstand aus den unterschiedlichen Bereichen zu bündeln. Zudem können sich daraus auch neue Mietmodelle in Bezug auf lokal angepasste Gewerbemieten ergeben, die einen langfristigen Erfolg für eine nachhaltige Innenstadtentwicklung versprechen. - Regelmäßige Austauschformate der Ansiedlungsmanager:
Um die Erfahrungen und das Wissen der Ansiedlungsmanager rasch skalieren zu können, müssen laufende Austauschformate der bundesweit agierenden Ansiedlungsmanager implementiert werden.
- Schulung zur Leerstandserfassung und -bewertung:
Zeit zum Handeln:
- Schaffung von Anreizen für Neuansiedlungen von Einzelhandelsbetrieben und Existenzgründungen im Bereich des innerstädtischen Einzelhandels
- Innenstädte zu einem noch attraktiveren Gründungsstandort machen
- Innenstädte als zentralen Versorgungsbereich stabilisieren und stärken
- Längerfristige Leerstände von Verkaufsflächen im „Fördergebiet Innenstadt“ vermeiden
- Belebung der Innenstadt und die Innenstadtattraktivität steigern
- Instrument zur gezielten Steuerung eines individuellen Angebotsmix für die Kommunen schaffen, um den Branchenmix in den Innenstädten gezielt zu verbessern
- Innovationspotenzial des Einzelhandels nutzen, um Servicequalität durch Multichannelhandel zu verbessern