Fachkräftelücke: HDE warnt vor falschen politischen Weichenstellungen

Nach einer aktuellen Studie des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) wird sich die Fachkräftelücke in den nächsten Jahren durch die absehbare demografische Entwicklung weiter dramatisch verschärfen. Laut der IW-Studie drohen die größten Engpässe bei den Verkäufern, einem Kernberuf im Einzelhandel. Die Fachkräftelücke könnte dort von mehr als 12.900 auf 40.470 im Jahr 2028 anwachsen.

„Die Politik muss jetzt die Weichen richtig stellen, um die gesamtwirtschaftliche Arbeitszeit anzuheben. Zuallererst müssen Frühverrentungsanreize wie die Rente mit 63 abgeschafft werden. Das ist längst überfällig - genauso wie die Anhebung des Renteneintrittsalters entsprechend der steigenden Lebenserwartung“, so der HDE-Geschäftsführer für Arbeit und Soziales, Steven Haarke. Richtig sei es hingegen, das Arbeiten im Alter mit einer Aktivrente attraktiver zu machen. Wer das gesetzliche Rentenalter erreicht und freiwillig weiterarbeitet, soll laut Koalitionsvertrag ein Gehalt von bis zu 2.000 Euro im Monat steuerfrei beziehen können. „Das ist gut und wichtig“, so Haarke weiter. Allerdings dürfe die Aktivrente nicht so ausgestaltet werden, dass Sie am Ende auch mit den unter Umständen doch fortbestehenden Frühverrentungsmöglichkeiten kombinierbar sei. Denn damit würde der Staat ein völlig falsches Signal setzen.

Als wichtig sieht der HDE zudem an, dass der Staat konsequent die Kita-Versorgung ausbaut. „Deutschland muss Weltmeister bei der Kita-Versorgung werden. Das liegt in unser aller Interesse, denn die erhöhte Erwerbsbeteiligung vor allem von Frauen ist zukünftig ein zentraler Baustein, um den Fachkräftemangel zu bewältigen. Wir brauchen daher eine bundesweite Kitaversorgung an allen Werktagen bis 20 Uhr, und damit selbstverständlich auch an Samstagen. Außerdem braucht es eine optimierte Zuwanderung von Fachkräften“, so Haarke weiter.

Falsche politische Impulse hätten fatale Auswirkungen. Ein Beispiel seien etwa die im Koalitionsvertrag geplanten Steuerprivilegien für Mehrarbeitszuschläge sowie die Teilzeitaufstockungsprämie. „Beides geht komplett in die falsche Richtung, das ist ein Irrweg“, so Haarke. Damit sich Mehrarbeit auszahlt, sollen laut Koalitionsvertrag etwa Zuschläge für Mehrarbeit, die über die tariflich vereinbarte beziehungsweise an Tarifverträgen orientierte Vollzeitarbeit hinausgehen, steuerfrei gestellt werden. Als Vollzeitarbeit soll für tarifliche Regelungen eine Wochenarbeitszeit von mindestens 34 Stunden gelten. Das Vorhaben bewertet der HDE negativ, denn Mehrarbeitszuschläge sind gesetzlich nicht verpflichtend, sodass nicht allen Beschäftigten profitieren würden. Zudem übe eine gesetzliche Vollzeitdefinition für den Tarifbereich Druck auf Tarifverhandlungen hin zu einer möglichst geringen tariflichen Vollzeitdefinition aus. „Das wäre eine deutliche Einmischung in die Tarifautonomie und zudem hochgradig kontraproduktiv“, so Haarke weiter. Dieselben Bedenken gälten auch für eine Steuerfreiheit von Teilzeitaufstockungsprämien. Dass die Politik so Druck auf die Tarifverhandlungen ausüben wolle, sei sehr irritierend.