EU-Kommission präsentiert umfassende Digitalstrategie

Die zuständigen EU-Kommissare Thierry Breton (Digitalisierung/Binnenmarkt) und Margrethe Vestager (Digitales/Wettbewerb) präsentierten am 19. Februar 2020 das EU-Digitalpaket der Europäischen Kommission. Das Paket besteht konkret aus drei Strategiepapieren:

  • Einem Aktionsplan für die Digitalisierung mit dem Titel „Gestaltung der digitalen Zukunft Europas“.
  • Einer EU-Datenstrategie.
  • Einem Weißbuch zum Thema Künstliche Intelligenz.

Die Kommission möchte sich im digitalen Bereich in den nächsten fünf Jahren auf diese drei Hauptziele konzentrieren: 1)Technologie im Dienste der Menschen; 2) eine faire und wettbewerbsfähige Wirtschaft und 3) eine offene, demokratische und nachhaltige Gesellschaft.

Aktionsplan für die Digitalisierung: Die Digitalstrategie dient als allgemeiner Fahrplan für die EU-Digitalpolitik der nächsten Jahre, formuliert die Ziele und kündigt konkrete Maßnahmen an. So soll Europa binnen weniger Jahre zu einer "globalen digitalen Schlüsselfigur" werden, indem z.B: die Zahl der Unternehmen, die Künstliche Intelligenz einsetzen, bis 2025 verdreifacht und die Zahl der fehlenden Fachkräfte auf 500.000 halbiert werden soll.

Es ist weiterhin ein Rechtsakt über digitale Dienste (sog. Digital Services Act) für Q4 2020 geplant. Basierend auf einer möglichen Revision der E-Commerce-Richtlinie von 2000 wird die Kommission die Einführung von Ex-ante-Regulierungsmaßnahmen prüfen, mit denen sichergestellt werden soll, dass auf Märkten, die von großen Plattformen mit erheblichen Netzeffekten geprägt sind, die als Torwächter fungieren, Fairness und Wettbewerbsmöglichkeiten für Innovatoren, Unternehmen und neue Marktteilnehmer sichergestellt bleiben. Inzwischen wird sogar von einem „DSA-Paket“ gesprochen, das auch neue und überarbeitete Vorschriften zur Vertiefung des Binnenmarkts für digitale Dienste beinhalten soll, durch Ausweitung und Harmonisierung der Pflichten von Online-Plattformen und Informationsdienstleistern sowie Stärkung der Aufsicht über die Inhaltepolitik der Plattformen in der EU. Ob es sich hierbei letztendlich um einen oder mehrere Rechtsakte handelt und ob die E-Commerce-Richtlinie tatsächlich überabreitet werden soll, geht aus dem Text nicht hervor und scheint von der Kommission auch noch nicht entschieden worden zu sein. Die öffentliche Konsultation zum DSA (-Paket) soll bereits Mitte März 2020 starten.

Darüber hinaus wird eine laufende Bewertung und Überprüfung der Eignung der EU-Wettbewerbsregeln für das digitale Zeitalter (2020-2023) sowie die Einleitung einer Sektoruntersuchung „mit besonderem Schwerpunkt auf diesen neuen und aufstrebenden Märkten, die unsere Wirtschaft und Gesellschaft prägen“ (2020) angekündigt.

Zudem wird eine „Initiative für auf die Kreislaufwirtschaft ausgerichtete Geräte“ angekündigt‚ um sicherzustellen, dass Geräte auf Haltbarkeit, Wartung, Demontage, Wiederverwendung und Recycling ausgelegt sind, wobei ein Recht auf Reparatur oder Aufrüstung gewährt werden soll, um den Lebenszyklus elektronischer Geräte zu verlängern und ein vorzeitiges Veralten zu vermeiden (2021).

EU-Datenstrategie: Das Ziel der Strategie besteht in der Schaffung eines echten Binnenmarkts für Daten, in dem personenbezogene und andere Daten, sicher sind, und Unternehmen und Behörden leicht auf große Datenmengen von hoher Qualität zugreifen können. Mit der europäischen Datenstrategie soll die EU zu einem Vorbild werden und eine Führungsrolle in einer durch Daten gestärkten Gesellschaft einnehmen. Die EU-Kommission will Unternehmen den Zugang zu Daten erleichtern - und zwar vor allem zu solchen, die nicht auf Personen bezogen sind. Dafür sollen etwa im Verkehrs-, Finanz- oder Gesundheitssektor "Datenräume" eingerichtet werden, in denen Unternehmen und Behörden Informationen austauschen können. Der Handel ist hier nicht explizit genannt. Allewrdings will die Kommission prüfen, ob gesetzgeberische Maßnahmen zur Regelung der Beziehungen zwischen den Akteuren der datenagilen Wirtschaft erforderlich sind, um Anreize für eine sektorübergreifende gemeinsame Datennutzung zu schaffen. Dies könnte ggf. 2021 in einem Rechtsakt über Daten aufgegriffen werden. Die Kommission merkt dabei allerdings an, dass ein Recht auf Datenzugang stets sektorspezifisch sein und nur dann gewährt werden sollte, wenn in diesem Sektor ein Marktversagen festgestellt wird bzw. vorherzusehen ist und durch das Wettbewerbsrecht allein nicht behoben werden kann.

Weißbuch zum Thema Künstliche Intelligenz: Die Kommission wählt beim Thema KI einen risikobasierten Ansatz, was grundsätzlich zu begrüßen ist. Für KI-Anwendungen mit geringerem Risiko sieht die Kommission zunächst keine Regulierung, sondern ein freiwilliges Kennzeichnungssystem vor, falls solche Anwendungen höhere Standards erfüllen. Für KI-Systeme mit hohem Risiko sollen klare Vorschriften und Anforderungen festgelegt werden, ohne dass dadurch aber weniger risikobehaftete Systeme übermäßig belastet werden. In Fällen mit hohem Risiko, z. B. in den Bereichen Gesundheit, Polizei oder Verkehr, sollten KI-Systeme transparent und rückverfolgbar sein. Die Aufsicht durch den Menschen soll stets gewährleistet sein. Behörden sollten die von Algorithmen genutzten Daten ebenso prüfen und zertifizieren können, wie sie es bei Kosmetika, Autos und Spielzeug tun. Die Kommission kategorisiert KI-Systeme sowohl nach kritischen Sektoren (wobei der Handel nicht genannt wird), als auch nach kritischen Verwendungszwecken. Welche Anwendungen nun genau ein hohes oder ein geringes Risiko darstellen, lässt die Kommission zunächst offen. Einige Verwendungszwecke seien jedoch in allen Sektoren kritisch, z. B. der Einsatz von KI bei Einstellungsverfahren (weil Diskriminierung drohe). Es wird aber ausdrücklich betont, dass alle KI-Anwendungen auf dem europäischen Markt willkommen sind, solange sie den EU-Vorschriften entsprechen. Zur Frage, in welchen Fällen das generelle Verbot der Gesichtserkennung gelockert werden könnte, möchte die Kommission eine breit angelegte Debatte führen. In Bezug auf die Durchsetzung etwaiger, zukünftiger KI-Vorschriften wird in dem Weißbuch eine Governance-Struktur auf EU-Ebene vorgeschlagene, in der Form einer Kooperation der zuständigen nationalen Behörden. Im Rahmen des Weißbuchs werden schließlich zwei konkrete Risikobereiche identifiziert, für die in Q4 2020 auch legislative Maßnahmen zu erwarten sind:

  • Risiken in Bezug auf Grundrechte, persönliche Daten, Schutz der Privatsphäre und Nicht-Diskriminierung.
  • Risiken in Bezug auf Sicherheit und ein effektives Funktionieren der Haftungsregeln.

Zu dem Weißbuch, den identifizierten Problembereichen und den Lösungsvorschlägen erbittet die EU-Kommission in einer Konsultation nun bis zum 19. Mai 2020 um Feedback und Kommentare.

Alle Dokumente und weitere Informationen finden Sie hier: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/ip_20_273