Europäische Wettbewerbshüter lockern Kartellregeln bei knappen Waren

Alle dem Netzwerk der europäischen Wettbewerbsbehörden (ECN) angehörigen Kartellbehörden (die Europäische Kommission, die EFTA-Überwachungsbehörde sowie die nationalen Wettbewerbsbehörden der Mitgliedsstaaten der EU/des EWR) veröffentlichten eine gemeinsame Erklärung zur Anwendung der europäischen Wettbewerbsregeln während der Krise, um die Lebensmittelversorgung sicherzustellen.  

Geschlossen erkennen die Behörden die sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen der Krise an und betonen gemeinsam, dass die Wettbewerbsregeln flexibel genug sind, um veränderte Marktgegebenheiten wie diese zu berücksichtigen. Unternehmen, die weitere Orientierungshilfen benötigen, können sich für Einzelfallberatungen gerne entweder an die nationalen Wettbewerbsbehörden, die Kommission oder die EFTA-Überwachungsbehörde wenden.

Hier die Kernpunkte der gemeinsamen Erklärung:

  • Das ECN ist sich bewusst, dass diese außergewöhnliche Situation die Unternehmen zur Zusammenarbeit veranlassen kann, um die Versorgung und den fairen Vertrieb knapper Produkte an alle Verbraucher sicherzustellen. Unter den gegenwärtigen Umständen wird das ECN nicht aktiv gegen notwendige und vorübergehende Maßnahmen vorgehen, die eingeführt wurden, um einen Versorgungsengpass zu vermeiden.
  • Unter den derzeitigen Umständen dürften solche Maßnahmen kaum problematisch sein, da sie entweder nicht auf eine Wettbewerbsbeschränkung nach Artikel 101 AEUV hinauslaufen oder Effizienzgewinne erzeugen würden, die höchstwahrscheinlich eine solche Beschränkung überwiegen würden.
  • Gleichzeitig muss unbedingt sichergestellt werden, dass Produkte, die in der gegenwärtigen Situation als wesentlich für den Schutz der Gesundheit der Verbraucher angesehen werden (z.B. Gesichtsmasken und Desinfektionsgel), weiterhin zu wettbewerbsfähigen Preisen erhältlich sind. Das ECN wird daher nicht zögern, gegen Unternehmen vorzugehen, die die derzeitige Situation durch Kartellbildung oder Missbrauch ihrer marktbeherrschenden Stellung ausnutzen.
  • In diesem Zusammenhang möchte das ECN darauf hinweisen, dass die bestehenden Regeln es den Herstellern erlauben, Höchstpreise für ihre Produkte festzulegen. Letztere könnten sich als nützlich erweisen, um ungerechtfertigte Preiserhöhungen auf der Vertriebsebene zu begrenzen.

Die Entscheidung des ECN folgte einem ähnlichen Beschluss Großbritanniens. Dort waren die Wettbewerbsregeln gelockert worden, um Supermärkten die Zusammenarbeit und sogar die Rationierung knapper Waren zu ermöglichen. Auch das Bundeskartellamt hatte sich angesichts der Corona-Krise offen für Lockerungen des Kartellrechts gezeigt.

Die vollständige Erklärung im englischen Wortlaut finden Sie hier: https://ec.europa.eu/competition/ecn/202003_joint-statement_ecn_corona-crisis.pdf