Neue Europäische Kommission nimmt Gestalt an

Die neue EU-Kommission soll geführt werden durch die Präsidentin sowie drei Exekutive Vizepräsidenten, welche jeweils ein Leuchtturmprojekt verantworten und zugleich direkten Zugriff auf eine Generaldirektion der Kommission haben:

  • Frans Timmermans (NL, S&D) – Erster Exekutiver Vizepräsident für „Einen europäischen Green Deal“ – Kommissar für Klimapolitik (DG CLIMA)
  • Margrethe Vestager (DK, RE) – Exekutive Vizepräsidentin für „Ein Europa für das digitale Zeitalter“ – Kommissarin für Wettbewerb (DG COMP)
  • Valdis Dombrovskis (LT, EVP) – Exekutiver Vizepräsident für „Eine Wirtschaft im Dienste der Menschen“ – Kommissar für Finanzdienstleistungen (DG FISMA)

Darüber hinaus gibt es fünf weitere Vizepräsidenten und –präsidentinnen sowie 18 „einfache“ Kommissare bzw. Kommissarinnen, jeweils zuständig für 0 bis 3 Generaldirektionen. Das Vereinigte Königreich hat keinen Kandidaten vorgeschlagen.

Bis auf die Kandidaten aus Frankreich, Rumänien und Ungarn sind alle designierten Kommissionsmitglieder bereist von den entsprechenden Ausschüssen angehört und bestätigt worden. Aus Sicht des Handels sind insbesondere folgende Positionen und Personen von Belang:

  • Didier Reynders (BE, RE) – Kommissar für Justiz und Verbraucherschutz (DG JUST)
    Reynders soll für den gesamten Bereich Verbraucherschutz zuständig sein. Konkret wurde er von von der Leyen beauftragt, die vollständige Um- und Durchsetzung der DSGVO zu begleiten und als globales Musterbeispiel für Datenschutz zu vertreten.
    Zudem soll Reynders zur bereits angekündigten Gesetzgebung im Bereich Künstliche Intelligenz beitragen und sicherstellen, dass Grundrechte im digitalen Zeitalter vollständig geschützt werden.
    Zusammen mit Věra Jourová (CZ, RE), der Vizepräsidentin für „Werte und Transparenz“ soll er sich zudem um das Thema Rechtsstaatlichkeit kümmern, worunter im weiteren Sinne auch die Probleme deutscher Händler mit Handelsbarrieren in Osteuropa gesehen werden können.
  • Kommissar/in für Binnenmarkt, Industrie und Digitales (DG GROW, DG CNECT, DG „Verteidigung & Weltraum“ (neu)) – noch vakant
    Der Binnenmarktkommissar soll die Arbeiten auf dem Gebiet der Industriepolitik und zur Förderung des digitalen Binnenmarkts leiten. Erwird zudem für die neue Generaldirektion Verteidigungsindustrie und Raumfahrt zuständig sein.
    Der neue Kommissar soll ebenfalls zur KI-Gesetzgebung beitragen sowie die Federführung für ein neues Gesetz über digitale Dienste (sog. Digital Services Act) übernehmen. Basierend auf einer Revision der bestehenden E-Commerce-Richtlinie von 2000 sollen „bessere Haftungs- und Sicherheitsvorschriften für digitale Plattformen, Dienste und Produkte geschaffen und der digitale Binnenmarkt vollendet werden“.
    Letztlich ist er verantwortlich für das Funktionieren des (digitalen) Binnenmarktes, den weiteren Abbau von Handelsbarrieren sowie das Schaffen fairer Wettbewerbsbedingungen.
  • Margrethe Vestager (DK, RE) – Exekutive Vizepräsidentin für „Ein Europa für das digitale Zeitalter“ – Kommissarin für Wettbewerb (DG COMP)
    Laut von der Leyen hat Vestager die Co-Federführung oder Koordinatorenrolle bei allen oben bereits ausgeführten Projekten: Industriestrategie, KMU-Strategie, KI-Gesetzgebung, Digital Services Act. Bei ihr laufen die Fäden zusammen – auch beim Thema Digitalsteuer, wo sie entweder bis Ende 2020 einen Konsens auf internationaler Ebene finden oder eine europäische Steuer vorschlagen soll.
    Im Bereich Wettbewerb ist Vestager beauftragt, die Durchsetzung des Wettbewerbsrechts weiter zu stärken und das Recht selbst zu modernisieren. Hier stehen wichtige Überarbeitungen an, z.B. der Vertikal- und Horizontal-GVO samt Leitlinien. Auch neue Sektoruntersuchungen sollen zu Beginn des Mandates gestartet werden, in welchen Bereichen wird allerdings nicht genannt.
  • Janusz Wojciechowski (PL, EKR) – Kommissar für Landwirtschaft (DG AGRI)
    Der Pole war lange Zeit Mitglied des Ausschusses für Landwirtschaft des Europäischen Parlaments und ist aktuell Mitglied des Europäischen Rechnungshofs. Da eine Untersuchung des Europäischen Amtes für Betrugsbekämpfung gegen ihn anhängig ist, dürfte er einer der Kandidaten sein, die sich besonders bei den Anhörungen vor dem Europäischen Parlament bewähren müssen.
    In seiner Aufgabenbeschreibung wird er von von der Leyen besonders mit der Modernisierung und Vereinfachung der Gemeinsamen Agrarpolitik betraut. Direkte Bezüge zum Einzelhandel (UTP, Einkaufsallianzen, Markttransparenz) werden dabei nicht erwähnt.
  • Frans Timmermans (NL, S&D) – Erster Exekutiver Vizepräsident für „Einen europäischen Green Deal“ – Kommissar für Klimapolitik (DG CLIMA)
    Timmermanns wird die Arbeiten am europäischen „Grünen Deal“ koordinieren, der zu Europas Markenzeichen werden soll. Dieser soll in den ersten 100 Tagen der neuen Amtszeit präsentiert werden. Europa soll der erste klimaneutrale Kontinent der Welt werden. Von der Leyen beauftragte Timmermanns damit, bis 2021 einen umfassenden Plan vorzulegen, wie die EU ihre Emissionen bis 2030 um 55 Prozent reduzieren kann.
    Zudem soll Timmermanns die Arbeit an der Kreislaufwirtschaft koordinieren und, ebenfalls in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit, ein europäisches Klimagesetz vorstellen, welches die Pläne zur Klimaneutralität bis 2050 in Gesetzgebung verankern soll. Ein Klimapakt soll über freiwillige Selbstverpflichtungen dafür sorgen, dass es zu einer Verhaltensänderung in der Gesellschaft kommt.
  • Kadri Simson (ET, RE) – Kommissarin für Energie (DG ENER)
    Simson soll für eine schnelle Implementierung der Gesetzgebung zu Energieeffizienz und erneuerbaren Energie sorgen. Zu ihrem Aufgabenbereich gehört auch die Fortführung der Arbeit zur Energieeffizienz von Gebäuden, die für den Handel in der letzten Legislaturperiode von großer Bedeutung war.
    Zudem soll sie an einem nachhaltigen europäischen Investmentplan arbeiten und somit die Förderung von sauberer Energie erweitern.
  • Virginijus Sinkevicius (LT, unabhängig, den Grünen nahestehend) – Kommissar für Umwelt und Ozeane (DG ENVI)
    Zu Sinkevicius Aufgaben wird der neue Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft gehören, der auch in die künftige Industriestrategie der Union einfließen wird.
    Von der Leyen beauftragt Sinkevicius zudem damit, sich dem laufenden Prozess des Verbots von Mikroplastik anzunehmen und dafür zu sorgen, dass die bereits existierende Gesetzgebung zu Plastik implementiert wird.

Durch die Ablehnung der drei nominierten Kandidaten aus Frankreich, Rumänien und Ungarn wird sich der Amtsantritt der neuen EU-Kommission voraussichtlich um mindestens einen Monat verzögern. Aktuell ist mit einer Wahl durch das EU-Parlament Ende November 2019 und mit einem Arbeitsbeginn der von der Leyen-Kommission zum 1. Dezember 2019 zu rechnen.