Mindestlohnanhebung trotz Corona: Festlegung kommt zu früh und schwächt die Tarifautonomie
- 01.07.2020
Die gestern beschlossene Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns in mehreren Stufen fällt nach Ansicht des Handelsverbandes Deutschland (HDE) zumindest auf der letzten Stufe deutlich zu hoch aus und kommt wegen der aktuellen Lage auch viel zu früh. Schließlich könne heute noch niemand seriös sagen, wie sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen weiter entwickeln.
„Die Mindestlohn-Kommission hat erkennbar versucht, der aktuell schwierigen wirtschaftlichen Lage vieler Unternehmen mit vergleichsweise moderaten Anhebungen in der ersten Phase Rechnung zu tragen. Aber vor allem die letzte Erhöhungsstufe zum 1. Juli 2022 auf dann 10,45 Euro verlässt den Pfad der Vernunft. Das könnte zur Überforderung von Arbeitgebern führen und damit Arbeitsplätze gefährden“, so HDE-Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Außerdem sieht der HDE durch die Entscheidung der Mindestlohn-Kommission die Tarifautonomie erneut geschwächt. „Die Mindestlohn-Kommission hat die Tarifvertragsparteien damit verpflichtet, ab 1. Juli 2022 in der untersten Entgeltgruppe bei 10,45 Euro anzukommen, sofern sie aktuell noch darunter liegen. Das nimmt den betroffenen Tarifpartnern Verhandlungsspielräume und greift deutlich in die Tarifautonomie ein. Letztlich können nur die Tarifvertragsparteien die wirtschaftliche Belastbarkeit der Unternehmen in ihrer Branche angemessen beurteilen“, so Genth weiter.
Die Ankündigung von Arbeitsminister Hubertus Heil, noch im Herbst Vorschläge zur Weiterentwicklung des Mindestlohnes vorlegen zu wollen, sieht der HDE ebenfalls sehr kritisch. „Die Festsetzung der Höhe des Mindestlohns soll ja eben nicht durch die Politik erfolgen, dafür gibt es die unabhängige Mindestlohn-Kommission. Die Höhe der Vergütung dürfe nicht mehr und mehr zum Spielball in der politischen Arena werden. Die Tarifautonomie ist ein wichtiger Grundwert in unserer Verfassung“, so Genth. Stattdessen fordert der HDE die Politik auf, die starre Einkommensgrenze für geringfügig Beschäftigte von aktuell 450 Euro auf zumindest 550 Euro im Monat anzuheben. Ansonsten werde der Minijob als bei Arbeitgebern und vielen Beschäftigten gleichermaßen beliebte Form der flexiblen Beschäftigung schleichend abgeschafft.