Gute Logistik für lebenswerte Innenstädte
18.119.192.2Bedingt durch den wachsenden Online-Handel steigt die Anzahl der Paketsendungen Jahr für
Jahr deutlich bis auf ca. 4 Milliarden im Jahr 2020. Die urbanen Verteilerverkehre steigen ebenfalls stetig und erhöhen das Verkehrsaufkommen. Das Wachstum erzeugt zusätzlichen Verkehr, trotz der Bemühungen der KEP-Dienste die Kilometerleistungen pro Lieferung zu verringern und Logistikkonzepte effizienter zu gestalten. Die Verkehrsflächen, die für innerörtliche Verkehre zur Verfügung stehen, sind begrenzt. Die Kommunen müssen Nutzungskonkurrenzen im öffentlichen Raum mit den Belangen der Lebens- und Aufenthaltsqualität, des Umweltschutzes und des flüssigen Verkehrs in Einklang bringen. Die KEP-Dienste haben Flächenbedarfe und müssen überwiegend öffentliche Verkehrsflächen nutzen. Der Einzelhandel ist gleichermaßen auf die Auslieferung in Geschäfte wie an Kunden angewiesen.
II. Ziele und Maßnahmen
Gemeinsames Ziel des Deutschen Städtetages (DST), des Deutschen Städte- und Gemeindebundes (DStGB), des Handelsverbands Deutschland (HDE) und des Bundesverbands Paket und Expresslogistik (BIEK) ist es, saubere und lebenswerte Städte und Gemeinden zu erhalten, die der umfassenden Versorgung der Bevölkerung gerecht werden und die Belastungen aus KEP- und urbanen Verteilerverkehren auf das unvermeidliche Maß zu reduzieren. Um dies zu realisieren, sollen folgende Voraussetzungen erfüllt werden:
Berlin, den 9. Juli 2018 Deutscher Städtetag Anhänge herunterladen
1. Fossil betriebene Wirtschaftsverkehre in Städten und Gemeinden auf alternative Antriebstechnologien und Methoden umstellen
Die KEP-Dienste werden ihre Fahrzeuge im Auslieferungsverkehr verstärkt und sukzessive auf alternative Antriebe umstellen, um der Immissionssituation in Kommunen Rechnung zu tragen, Beiträge zur Verringerung von Klimaschadstoffen zu leisten und konventionell angetriebene Fahrleistungen zu substituieren. Die unterzeichnenden Verbände werden die Förderung einer sukzessiven Umstellung auf alternative Distributionsformen, die motorisierte Verkehre vermeiden, und der hierfür erforderlichen Fahrzeuge und ergänzenden Infrastruktur gegenüber den Fördermittelgebern aktiv vertreten.
2. Stadtverträglichkeit der Logistik erhöhen - Logistikkonzepte optimieren / Fahrleistungen verringern / Auslastungen verbessern
Die KEP-Dienste sind bestrebt, die aus der Stadtlogistik resultierenden Belastungen für die Kommunen und ihre Bevölkerung zu verringern. Diese drücken sich in verkehrlichen Überlastungen, Luft- und Lärmbelastungen aus. Das Verkehrsaufkommen muss reduziert, Emissionen verringert und die Verträglichkeit der Logistikverkehre erhöht werden. Hierzu werden die KEP-Dienste ihre Logistikkonzepte weiter optimieren, Formen der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen Anbietern ausweiten, wenn sie der Verringerung des Verkehrsaufkommens dienen und für den jeweiligen Zweck und Einsatzort geeignete Fahrzeuge einsetzen.
3. Umgang mit gewerblichem Lieferverkehr in Fußgängerzonen mit Einfahrverboten klären
Insbesondere in Fußgängerzonen besteht künftig auch tagsüber erhöhter Bedarf an Lieferverkehr. Ansässige Händler sind auf kleinteilige und taggenaue Belieferung angewiesen und reagieren auf die Anforderungen des E-Commerce und der „Same Day Delivery“. Sie werden künftig zunehmend den Versand aus dem Laden heraus am selben Tag anbieten. Derartige Verkehre müssen das Primat der Sicherheit des Fußverkehrs beachten und sollen sich verstärkt auf Lastenfahrräder und fußläufige Transporthilfen stützen. Sie gewährleisten abgestimmte Möglichkeiten der Abholung aus den Geschäften auch in Fußgängerzonen mit der Möglichkeit einer Warenauslieferung entsprechend den Kundenwünschen.
DST und DStGB empfehlen ihren Mitgliedern, versuchsweise Befreiungen von Einfahrverboten oder zeitlichen Zufahrtbeschränkungen für Lastenräder und Fahrzeuge mit alternativen Antrieben in Abhängigkeit von den örtlichen Gegebenheiten und den rechtlichen Möglichkeiten zu prüfen. Soweit die rechtlichen Möglichkeiten nicht bestehen sollten, werden sich die unterzeichnenden Verbände für entsprechende Regelungen auf Bundes- und Landesebene verwenden. Zudem fordern die Verbände Bund und Länder auf, Mittel für die wissenschaftliche Begleitung stadtverträglichen Logistikverkehrs bereitzustellen.
4. Privilegierte Ladezonen ausweisen und freihalten
DST und DStGB wirken darauf hin, dass die Gesetzgeber den Kommunen die Möglichkeit einräumen, anhand der örtlichen Bedingungen (weitere) Privilegierungen (Ladezonen) auszuweisen, damit städtischer Wirtschaftsverkehr erleichtert abgewickelt und das Parken in zweiter Reihe reduziert werden kann. Voraussetzung dafür ist, dass sich Lieferzonen sowohl räumlich integrieren lassen (Platzverfügbarkeit) und dass die Verkehrskapazität für den Gemeingebrauch nicht unangemessen beschränkt wird (Kapazität des Straßenraumes). Jegliche Privilegierung muss mit einem nachweisbaren Mehrwert für den Gemeingebrauch verbunden sein. Dies erfordert auch, Fehlverhalten unrechtmäßig in Ladezonenhaltender oder parkender Fahrzeuge konsequent zu ahnden.
5. Mikro-Depots im Immobilienbestand fördern - Rechtssicherheit für Mikro-Depots schaffen
Stationäre und mobile Mikro-Depots können die Zustellungswege auf der „letzten Meile“ verkürzen helfen und damit den Einsatz von Lastenfahrrädern oder fußläufigen Transporthilfen für die Zustellung fördern.
Bevorzugt sollen leerstehende oder ungenutzte Immobilien auf ihre Eignung als stationäre dezentrale Mikro-Depots, die von den Dienstleistern gemeinsam genutzt werden können, geprüft werden. DST und DStGB empfehlen, diese in ein ggf. vorhandenes kommunales Einzelhandels- und Verkehrskonzept zu integrieren.
Mobile Mikro-Depots sind Nutzfahrzeuge oder Container, die durch die KEP-Anbieter an geeigneten Orten in urbanen Zustellbezirken abgestellt werden. DST und DStGB sehen eine bessere Genehmigungsfähigkeit der mobilen Mikro-Depots, wenn alle örtlichen KEP-Anbieter die mobilen Mikro-Depots gebündelt abstellen. DST und DStGB empfehlen ihren Mitgliedern, Sondernutzungen von Verkehrsflächen an hierfür geeigneten Standorten unter dieser Voraussetzung zu prüfen und einzuräumen. Die Einordnung der Mikro-Depots richtet sich nach verkehrlichen, städtebaulichen und gestalterischen Kriterien. Die unterzeichnenden Verbände sehen ein probates Verfahren darin, exemplarische und ihren Grundprinzipien nach vervielfältigbare Musterlösungen für das Abstellen von mobilen Mikro-Depots bspw. in Modellstädten der Stadtlogistik im Wege von Werkstattverfahren, bspw. begleitet durch die Bundesstiftung Baukultur, zu planen und zu bauen.
6. Entzerrung der Verkehrslastspitzen durch Nachtbelieferung prüfen
Die unterzeichnenden Verbände empfehlen die Prüfung von alternativen oder ergänzenden Versorgungskonzepten im Handel. Die Warenanlieferung in Geschäfte und Filialen des Handels in verkehrsarmen Nebenzeiten kann einen Beitrag zur Stauvermeidung und Entzerrung von Verkehren liefern. Dazu muss sichergestellt werden, dass eine Anlieferung unter strikter Einhaltung der Anforderungen des Lärmschutzes stattfinden kann. Hierfür sollten zertifizierte geräuscharme Lkw nach dem Vorbild der PIEK-Zertifizierung in den Niederlanden und Anlieferungsverfahren zum Einsatz kommen, die geeignet sind, mit Sondergenehmigung auch in Randzeiten in Innenstädte einzufahren.
Flankierend dazu sprechen sich DST und DStGB für die rechtliche und schallschutztechnische Prüfung von Maßnahmen des passiven Schallschutzes (wie z.B. des „Hamburger Fensters“) in lärmvorbelasteten Gebieten unter engen Voraussetzungen auch bei gewerblichem Lärm aus, falls prioritäre Schutzmaßnahmen nicht ausreichen.
7. Zusammenwirken von KEP-Dienstleistern mit den Planungs- und Genehmigungsbehörden der Kommunen verbessern
DST und DStGB empfehlen ihren betroffenen Mitgliedern, nach Möglichkeit Ansprechpartner mit einem koordinierenden Mandat für den Wirtschaftsverkehr und die Stadtlogistik zu bezeichnen. Die KEP-Dienstleister werden ihrerseits den Kommunen im Falle der Beanspruchung öffentlicher Flächen für Mikro-Depots und der Beantragung von Sonder(nutzungs)genehmigungen und Befreiungen möglichst koordiniert gegenübertreten.
Deutscher Städte- und Gemeindebund
Handelsverband Deutschland
Bundesverband Paket & Express Logistik