Geräuscharme Nachtlogistik - Eine Lösung für den innerstädtischen Lieferverkehr
3.146.176.191Ausgangssituation
Der zunehmende Verkehr in Innenstädten lässt die städtische Verkehrsinfrastruktur an ihre Grenzen stoßen. Dies gilt insbesondere zu den morgendlichen Stoßzeiten mit Pendlerverkehren. Gleichzeitig ist der Einzelhandel davon abhängig, dass die Geschäfte rechtzeitig beliefert werden. Dabei stellt das veränderte Konsumverhalten des Kunden, der dauerhaft volle Regale und Rund um die Uhr frische Waren erwartet, den Einzelhandel zunehmend vor logistische Herausforderungen.
Auch der wachsende Online-Handel, der die Anzahl der Paketsendungen Jahr für Jahr deutlich steigen lässt, trägt zum Verkehrsaufkommen bei. Für das gesamte Jahr 2018 rechnet der BIEK (Bundesverband Paket und Expresslogistik) mit 3,5 Milliarden Sendungen und bis zum Jahr 2020 sogar mit ca. 4 Milliarden Sendungen. Dabei ist nach wie vor ein hoher Anteil B2B-Verkehr, d.h. die Belieferung von Geschäften durch Paketfahrzeuge. Trotz der Bemühungen der Logistikbranche, die Kilometerleistung pro Lieferung zu verringern und Logistikkonzepte effizienter zu gestalten, erzeugt dieses Wachstum zusätzlichen Verkehr.
Die Folgen dessen sind:
- Stärkere Belastung der innerstädtischen Verkehrswege
- Zunehmende Überschneidung des Liefer- und Individualverkehrs
- Höheres Verkehrsaufkommen auf den Zufahrtsstraßen zur Versorgung der Innenstädte
- Lärm- und Schadstoffemissionen, die die Lebensqualität der Bevölkerung beeinträchtigen
- Logistik wird zum Störfaktor für die Bevölkerung
- Zunehmende Annäherung an die Belastungsgrenze der in den hochverdichteten Lagen nicht weiter ausbaubaren Verkehrsinfrastruktur
Die Motivation für Nachtbelieferung
Der Verkehr in urbanen Räumen ist zum Teil auch durch gewerbliche Transporte geprägt, welche wiederum einen Teil der Emissionslast verursachen. Zu den Hauptverkehrszeiten sinkt die Effizienz der Lieferfahrzeuge vor allem durch längere Fahrzeiten und niedrigere Fahrgeschwindigkeiten. Die Möglichkeit der Nachtbelieferung würde zu einer Entzerrung des Verkehrs führen. Die Trennung von Wirtschaftsverkehr und individuellem Personenverkehr in zeitlicher Hinsicht würde zu einer nachhaltigen Gestaltung des innerstädtischen Verkehrs beitragen. Die Konsequenz wäre eine Win-Win-Win-Situation für Umwelt, Verkehrsteilnehmer und Handel.
Das Ziel einer weitgehend emissionsarmen Logistik in der Belieferung innerstädtischer Geschäfte kann nur durch gemeinsame Anstrengungen aller Prozessbeteiligten erreicht werden. Dazu müssen die politischen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die eine rasche Umsetzung der Nachtlogistik ermöglichen.
Best Practice Beispiel Niederlande
In den Niederlanden werden bereits seit 2004 speziell zertifizierte Lkw für die Belieferung in Nebenzeiten zugelassen. Die sogenannte PIEK-Zertifizierung wird von der Stiftung PIEK-Gütesiegel verliehen und ist ein Standard für leise Lieferwagen und leise Technologien.
Mit einem zertifizierten geräuscharmen Fahrzeug und entsprechender Kennzeichnung ist eine Belieferung in Innenstädte dann zu Randzeiten möglich. Kommunen haben die Möglichkeit, Freigaben für die Fahrzeuge zu erteilen und die Einhaltung zu überprüfen.
Um eine PIEK-Zertifizierung für ein Fahrzeug zu erhalten, werden entsprechende Messungen durchgeführt. Hierbei müssen Fahrzeuge und Equipment weniger als 60 dB(A) in einer Entfernung von 7,5 m ausstoßen.
Voraussetzungen für die Nachtlogistik der Zukunft
Um die Anforderungen des Lärmschutzes einzuhalten, braucht es entweder reine batterieelektrische, dieselelektrische Hybridfahrzeuge oder auch Lkws mit Wasserstoffbrennstoffzellen als Stromquelle für die Elektromotoren, die bei geringen Geschwindigkeiten unter 30 km/h praktisch geräuschlos sind. Weiterhin muss die Ausstattung des Lkw geräuschminimiert sein, wie z.B. das Kühlaggregat, Rollcontainer oder speziell geschulte Fahrer. Auch passive Lärmschutzmaßnahmen am Lieferort können einbezogen werden. Eine Studie des Fraunhofer Instituts hat ergeben, dass auch unter den Rahmenbedingungen der deutschen Gesetzgebung eine Nachtanlieferung möglich ist.
Vorteile der Nachtlogistik
Die Verlagerung von notwendigen Warentransporten in Rand- und Nebenzeiten bringt Vorteile auf mehreren Ebenen. Neben der Stärkung der Versorgungssicherheit der städtischen Anwohner stehen Umweltaspekte im Vordergrund, die Kommunen in der Einhaltung der Schadstoffgrenzwerte unterstützen können:
- Verflüssigung des Verkehrs in den Stoßzeiten, Beitrag zur Reduzierung von Staus und Engpässen (weniger Lkw, weniger Ladetätigkeiten im Verkehrsraum in zweiter Reihe)
- Reduzierung der Lärm- und Luftschadstoff-Emissionen.
Auch der Handel kann durch eine höhere Auslastung der Fahrzeuge zu Tages- und Nachtzeiten profitieren. Elektro-Lkw können durch Ausweitung der Nutzungszeiten trotz höherer Fahrzeugkosten einen höheren Deckungsbeitrag erzielen.
Aktuelle Hemmnisse und Forderungen
Der Einsatz elektrischer Nutzfahrzeuge für den Lieferverkehr ist noch immer die Ausnahme. Der Grund hierfür sind – neben dem mangelhaften Angebot seitens der Hersteller – die wesentlich höheren Anschaffungspreise und die oft ungelöste Ladesäuleninfrastruktur im Zentrallager. E-Lkw sind damit heute nicht wirtschaftlich zu betreiben.
Daher müssen Förderprogramme zur Anschaffung von Lkws mit elektrischen Antrieben bereitgestellt und Anreize zum Aufbau der Versorgungsinfrastruktur geschaffen werden.
Hersteller müssen Lkws insbesondere für den Bereich oberhalb der 7,5 Tonnen-Klasse anbieten, die den besonderen Anforderungen des Einzelhandels genügen und für Nachtanlieferungen geeignet sind.
Die geräuscharme Nachtlogistik kann einen Beitrag zur Etablierung und Effizienzsteigerung von e-Lkws oder wasserstoffbetriebenen Lkws leisten. Durch eine zuverlässige Genehmigungspraxis für geräuscharme Lkws zur Einfahrt in Rand- und Nachtzeiten können Handelsunternehmen die Fahrzeuge besser auslasten, entsprechende Mehrkosten relativieren sich durch verlängerte Einsatzzeiten.
Um aber Lieferverkehre flächendeckend in die Nacht zu verlagern und so die Straßeninfrastruktur tagsüber zu entlasten, sind auf Seiten der Gesetzgebung und der Genehmigungsbehörden noch einige Hürden zu nehmen. Es sollte bundesweit einheitliche Rahmenbedingungen zur Freigabe von Nachtlogistik in der Praxis geben.
Um die Vorteile einer effizienten Belieferung zu Nebenzeiten zu realisieren, müssen alle Beteiligten zusammenarbeiten:
- Bund, Länder und Kommunen sollten die Möglichkeiten der geräuscharmen Nachtlogistik kennen und in ihre Planungen zur Verkehrswende einbeziehen
- Eine Rahmengesetzgebung zur Zulassung von Nachtfahrten kann Planungs- und Investitionssicherheit bringen. Beispiele können sein, die Berücksichtigung von e-Lkw im Elektromobilitätsgesetz (EmoG) durch Privilegierung von e-Lkw gegenüber konventionellen Lkw und der Aufbau eines Zertifikats zur Ausweisung geräuscharmer Lkw
- Die Wiederstände in den Kommunen müssen abgebaut werden. Eine klare Benennung von einer verantwortlichen Instanz als Ansprechpartner der Akteure muss erfolgen. Dazu ist eine Rechtssicherheit für Behörden zu schaffen. Ein Handlungsleitfaden für Kommunen sollte erstellt werden (siehe dazu auch das gemeinsame Positionspapier von Deutschen Städtetag, Deutschen Städte- und Gemeindebund, Handelsverbands Deutschland und Bundesverband Paket und Expresslogistik e. V.).
- Genehmigungsverfahren zur Nachtanlieferung müssen den Pilotstatus verlassen und dauerhaft ermöglicht werden. Nur so kann es Planungs- und Investitionssicherheit für den Handel geben.
Anschließende Präsentation fasst die Thematik der Nachtlogistik nochmals zusammen.
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