Das Jahrzehnt des digitalen Bezahlens beginnt
13.58.207.196Nachdem der Durchbruch von Mobile Payment jahrelang angekündigt wurde, scheint jetzt Dynamik in den Markt zu kommen. Die Liste der Anbieter mobiler Zahlungsarten wird länger, die Digitalisierung erreicht den Zahlungsverkehr am POS, der Kampf um Marktanteile beginnt. Auch auf Akzeptanzseite ist die Ausstattung mit der Kontaktlos-Technologie NFC, die neben dem QR-Code als Voraussetzung für mobiles Bezahlen gilt, weitgehend abgeschlossen. Die Politik hat die Bedeutung der Zahlungsströme für den Wettbewerb erkannt. Das zeigt auch die kürzlich erlassene „Lex Apple“, die Apple zur Öffnung seiner NFC-Schnittstelle zwingen soll. Schließlich scheinen auch Verbraucher zunehmend Gefallen an der neuen Art des Bezahlens zu finden.
Trotz der Marktdynamik – für den Erfolg neuer Zahlungsprozesse müssen gute Nutzer-Erfahrungen, übersichtliche Anwendungen und Mehrwerte her, die auf eine breite Reichweite treffen. Die Big-Techs haben hier Vorteile und können vorhandene Infrastrukturen und attraktive Dienste mit etablierten Zahlungslösungen kombinieren. Große Händler können immerhin ihre Apps mit smarten Payment-Lösungen ausbauen. Die etablierten Zahlungssysteme der nationalen Banken können hier noch nicht punkten. Insbesondere die Heterogenität der Angebote und Organisationsstrukturen der Institute hemmen die Entwicklung. Eine generelle Straffung tut daher not und wird richtigerweise derzeit diskutiert. So soll unter dem Projekt #DK über eine Verknüpfung vorhandener Produkte wie Kwitt, Paydirekt, Giropay und Girocard (EC-Karte) entschieden werden. Eine undurchsichtige Produktlandschaft könnte tatsächlich durch die Zusammenführung in einem Produkt erfolgreich sein. Voraussetzung ist eine einheitliche Akzeptanz-Strategie und schlanke Entscheidungsebenen.
Ein Produkt für alle Kanäle ist allerdings nur ein Aspekt für den Markterfolg. Eine weitere Dimension ist der mindestens europaweite Einsatz. Hier werden nationale Systeme auf lange Sicht den Anforderungen der Nutzer nicht gerecht. Auch das wurde erkannt, wie verschiedene Initiativen von nationalen Anbietern zeigen. So arbeitet die European Mobile Payment Systems Association (EMPSA), ein Zusammenschluss regionaler mobiler Zahlungsverfahren, an einem gemeinsamen QR-Code-Standard. Die Pan European Payment System Initiative (PEPSI), eine Gruppe von Banken aus verschiedenen Ländern, entwickelt ein europaweites Zahlverfahren. Der Schritt ist aus Handelssicht positiv zu bewerten, da nationale Alleingänge an Grenzen stoßen und nicht mehr zeitgemäß sind.
Entscheidend für erfolgreiche moderne Zahlungssysteme ist die Akzeptanz auf beiden Marktseiten. Führende Big-Techs konzentrieren sich auf die Verbraucherseite, was im Hinblick auf nutzerzentrierte Anwendungen notwendig ist. Was oft vernachlässigt wird, ist die Akzeptanzseite. Denn auch der Handel sollte von neuen Verfahren überzeugt werden. Hier könnte eine Produktentwicklung unter Einbeziehung des Handels Vorteile bringen. Bislang kommen Vorteile für die Akzeptanzseite häufig zu kurz und beschränken sich auf das längst durchschaute Versprechen auf Mehrumsatz oder setzen auf die Macht der Nachfrage. Deshalb sollten Banken und andere Zahlungsdienstleister endlich das Angebot des Handels annehmen, an der Entwicklung eines neuen Bezahlsystems mitzuwirken.
Der Wettbewerb der Zahlungsverfahren auf mobilen Geräten ist in vollem Gang. Er ist geprägt von globalen Anbietern, die derzeit ihre Claims in der Zahlungsverkehrskette abstecken. Es liegt nun an Politik und etablierten Banken, die Zeichen zu erkennen und gegenzusteuern. Banken versuchen, ihr Glück durch Konsolidierung der Produktlandschaft und europaweiter Kompatibilität zu erreichen. Die Politik versucht, mit einer Regulierung der marktmächtigen Anbieter gegenzuhalten, zeigt damit aber eine reaktive Vorgehensweise.
Aus Handelssicht wäre es aussichtsreicher, auf eine offene europäische Infrastruktur zu setzen. Der SEPA-Instant-Payment-Standard könnte die Basis für eine Produktoffensive sein, die in überschaubarer Zeit Europa und seine Anbieter auf Augenhöhe bringen kann. Auf lange Sicht ist zusätzlich die Schaffung eines digitalen Euro zu überdenken. Mit einer echten staatlichen digitalen Währung könnten die Vorteile von Bargeld, nämlich hohe Anonymität, Entscheidungshoheit auf allen Stufen sowie Offenheit für alle Akteure mit den Anforderungen an moderne, kanalunabhängige Zahlungswege verknüpft werden.
Quelle: Lebensmittel Zeitung, Ausgabe 6 vom 7. Februar 2020, Seite 48-49