Das Potential von Instant Payment
18.226.248.88Fragen und Antworten zur Echtzeitüberweisung aus Handelssicht
Was ist Instant Payment und was erhofft sich der Handel davon? Welche Möglichkeiten ergeben sich für die etablierten Zahlungsverfahren, welche Optionen bieten sich für neue Angebote? Und welche Hürden können den Markterfolg bremsen? Auf diese Fragen gehen wir im Folgenden näher ein.
Worum geht es?
Die Bezahlung mittels einer SEPA-Überweisung dauert heute mindestens einen Bankarbeitstag. Liegt ein Wochenende oder Feiertag dazwischen, kann es passieren, dass eine Gutschrift auch erst mehrere Tage nach der eigentlichen Zahlungsinitiierung auf dem Empfängerkonto gutgeschrieben wird. Für heutige Ansprüche dauert dies zu lange.
Wo heute mindestens ein Bankarbeitstag auf die Gutschrift auf dem Empfängerkonto gewartet werden muss, soll mit Instant Payment innerhalb von Sekunden eine finale Transaktion erfolgen, die dem Zahlungsempfänger eine sofortige Verfügung über den Betrag ermöglicht.
Allerdings ist es zu kurz gegriffen, Instant Payment nur auf die Beschleunigung der Abwicklung einer Überweisung zu reduzieren. Denn mit der Schaffung des Echtzeitüberweisungsstandards, also des SEPA Instant Payment Standards (SCTInst) wurde erstmals eine europäische, standardisierte Infrastruktur für die Echtzeitabwicklung von Zahlungen geschaffen, die es nun zu nutzen gilt.
Was ist Instant Payment?
Instant Payment ist ein zunächst nicht geschützter Begriff und beschreibt sinngemäß die sofortige Ausführung von Zahlungsanweisungen auf dem auslösenden Konto und Gutschrift auf dem empfangenden Konto innerhalb von Sekunden.
Auf dieser Basis schmücken sich diverse Zahlungsarten und –Systeme derzeit mit dem Begriff Instant. In der Regel sind hier aber keine systemübergreifenden Echtzeit-Abwicklungssysteme gemeint, sondern individuell entwickelte Lösungen, man könnte auch Insellösungen sagen. Im Folgenden soll der Begriff auf diejenigen Systeme fokussiert werden, die auf der Basis von SCTInst arbeiten, einem europäischen SEPA-Standard.
SCTInst steht für SEPA Credit Transfer Instant. Dabei handelt es sich um einen europäischen Standard zur Abwicklung von Überweisungen, der auf der SEPA-Überweisung basiert, wie wir sie kennen. Der Unterschied zur „normalen“ SEPA-Überweisung besteht darin, dass die finale Abwicklung und vor allem die Verfügbarkeit auf dem Empfängerkonto innerhalb von Sekunden erfolgt.
SCTInst ist ein europäischer Standard, der eine breite politische Unterstützung erfährt. Zwar ist die Nutzung freiwillig, aber sowohl die Europäische Zentralbank EZB als auch das European Payment Council EPC unterstützen die breite Einführung.
Der Standard ist geeignet und dafür vorgesehen, Überweisungen von jedem Girokonto einer teilnehmenden Bank innerhalb von Sekunden auf das Empfängerkonto einer ebenfalls teilnehmenden Bank zu transferieren, so dass der Empfänger über den Betrag verfügen kann. Zur Initiierung einer Echtzeitüberweisung kann in einem ersten Schritt jeder Kunde einer teilnehmenden Bank in seinem Onlinebanking Tool (am PC oder mobil) eine entsprechende Maske aufrufen, in die er wie auf einem normalen Überweisungsschein die erforderlichen Daten einträgt und die Überweisung mit den bekannten Autorisierungsverfahren freigibt. Der Empfänger kann dann innerhalb von wenigen Sekunden den Zahlungseingang in seinem Onlinebanking-Tool feststellen und über den Betrag verfügen.
Wofür brauchen wir Instant Payment?
Echtzeitüberweisungen können an vielen Stellen benötigt werden. So können sie im sogenannten Zug-um-Zug-Geschäft, also beim Tausch Ware gegen Geld eine für beide Parteien sichere und sofortige Abwicklung darstellen: Der Käufer überweist vor Ort das Geld über sein Onlinebanking-Tool, der Zahlungsempfänger registriert den Zahlungseingang und kann sofort die Ware übergeben. Als Beispiel wird oft der private Autokauf oder Flohmarktkauf genannt, bei dem nicht ausreichend Bargeld vorhanden ist.
Echtzeitüberweisungen bieten darüber hinaus aber auch die Möglichkeit, etablierte Zahlungsverfahren auf die Echtzeit-Infrastruktur zu überführen oder neue Zahlungsformen zu entwickeln, die sich der vorhandenen Echtzeit-Infrastruktur bedienen. Im Prinzip könnte jedes aktuelle unbare Zahlverfahren diese Art der Überweisung nutzen.
Der Vorteil einer einheitlichen Schnittstelle bei der Übergabe der Zahlungsdaten liegt auf der Hand. Händler müssten nur noch ein Verfahren unterstützen, Kunden hätten weiterhin die Wahl des für sie besten Zahlungsanbieters. Banken haben weiterhin mit dem Girokonto ein entsprechendes Geschäftsmodell und eine Alternative gegen zentrale Zahlungsplattformen.
Warum kommt Instant Payment erst jetzt?
Erst mit der Schaffung des SEPA-Raumes wurden die Möglichkeiten einheitlicher Schnittstellen für eine europaweite Zahlungsabwicklung in einen rechtlichen Rahmen gebracht. Die jetzt erfolgte Schaffung von Echtzeitmechanismen ist dabei die logische Weiterentwicklung und bildet nur ab, was die Realwirtschaft bereits erfüllen muss: die Abwicklung von Einkäufen in quasi Echtzeit. Die Begriffe von Same-Day und same-hour delivery sind keine Seltenheit, der Zahlungsverkehr muss diesen Anforderungen folgen. Niemand wartet heute noch einen Tag auf die Zustellung einer Email. Daher müssen sich Zahlungssysteme auch den Anforderungen der heutigen Zeit stellen.
Wo liegt das Potential?
Beim SEPA Instant Payment ist das klassische Bankkonto weiterhin notwendig und wird bei jeder Transaktion einbezogen. Instant Payment nach europäischen SEPA-Vorgaben ist daher weiterhin ein Garant für den Erhalt des heute bekannten Girokonto-Modells.
Grundsätzlich können die Kontoinhaber aller angeschlossenen Zahlungsinstitute eine Instant Payment-Transaktion auslösen, bei der der Betrag innerhalb von Sekunden auf dem Konto des Zahlungsempfängers gutgeschrieben wird. Dies war bislang nur unter Einschaltung von Intermediären möglich, also Zahlungsdiensteanbietern, die eine Mittlerfunktion übernahmen und dafür Entgelte verlangten.
Instant Payment auf Basis von SCTInst bietet also die Chance, einen neuen Zahlungsstandard zu etablieren, der bisherige Verfahren ersetzen und Intermediäre überflüssig machen kann und die Basis für die Entwicklung neuer und effizienterer Produkte darstellt.
Gebe es kein Instant Payment, könnten künftig zentrale Zahlungsplattformen, wie sie im Internet bereits verbreitet sind, ihre Bedeutung ausbauen. Der Plattformbetreiber bietet eine Abwicklung aus einer Hand, er hält die Guthabenkonten, bestimmt die Abwicklungsmodalitäten und erhält einen umfassenden Einblick über die anfallenden Daten auf Zahler – und Zahlungsempfängerseite. Ein entsprechendes Entgelt kann zentral festgesetzt werden, Verhandlungen fallen schwer oder sind unmöglich.
Es zeigt sich, dass SEPA Instant Payment eine Chance ist, das etablierte Girokontomodell unter Beibehaltung des Wettbewerbsgedankens zu erhalten und den Anforderungen an eine Echtzeit-Welt anzupassen. Es ist also eine Chance für Banken, ihre Bedeutung im künftigen Zahlungsverkehr abzusichern. Gelingt dies nicht, werden neue Player am Markt diese Rolle übernehmen, was zu Lasten eines gesunden Wettbewerbs geht.
Welche Optionen sieht der Handel in Instant Payment und welche Hürden gibt es?
Die Instant Payment Infrastruktur kann für neue Zahlungsarten genutzt werden. Zudem können etablierte Zahlungssysteme ihre Abwicklungsprozesse auf die Instant Payment-Struktur migrieren und damit Effizienzvorteile generieren. Damit sind kostengünstigere Abwicklungsverfahren möglich und ein erleichterter Markteintritt für neue Anbieter durch die mögliche Nutzung von SCTInst.
Instant Payment im Onlineshopping:
Die Echtzeitzahlung kann im ersten Schritt für das Online-Shopping genutzt werden. Die klassische Vorabüberweisung – häufig bei Onlineshops eingesetzt, die besonders betrugsrelevante Waren oder Dienstleistungen anbieten – kann in Form einer Echtzeitüberweisung eine Beschleunigung des Einkaufs bewirken. Der Händler kann sofort nach Zahlungseingang Ware oder Dienstleistung ausliefern. Auch der Service bei der Retourenabwicklung kann verbessert werden. Sobald die Ware auf dem Rückweg ist, kann der Händler per Echtzeitüberweisung den gezahlten Betrag auf dem Kundenkonto zur Verfügung stellen. Zwar gibt es auch heute Zahlungsplattformen, die entsprechende Prozesse ermöglichen. Allerdings ist deren Nutzung für den Händler stets mit Kosten verbunden. Auch der Kunde muss meist den Umweg über ein Zahlungskonto des Dienstleisters in Kauf nehmen und im Falle von Gutschriften zunächst eine Überweisung auf das Girokonto anstoßen.
Instant Payment am POS:
Eine Anwendung von Instant Payments ist im stationären Handel am POS möglich. Dazu muss an der Kasse ein Code generiert werden, der die Zahlungsdaten enthält, die zu einer Überweisung notwendig sind. Insbesondere die IBAN des Empfängerkontos und der Betrag sowie eine Zuordnungsnummer sind hierbei an das Smartphone des Kunden zu übertragen, z.B. über QR-Code oder NFC. Auf dem Smartphone des Kunden werden diese Daten in das Überweisungstool (Onlinebanking-App oder App eines dritten Zahlungsdienstleisters) eingetragen und eine Transaktion initiiert und autorisiert. Diese Transaktion wird mittels SCTInst abgewickelt und dem Händlerkonto gutgeschrieben. Der Händler erhält dann über eine Schnittstelle zu seinem Konto eine Information bis zur Kasse weitergeleitet, die den Zahlungseingang (definiert über die Zuordnungsnummer) anzeigt. Damit kann das Geschäft abgeschlossen werden.
Um diese Prozesse in ein Produkt zu integrieren und eine möglichst große Verbreitung zu erreichen, sollten die Schnittstellen zwischen Zahler und Zahlungsempfänger sowie zwischen der Bank des Zahlungsempfängers und der Kasse technisch standardisiert werden. Bei der Standardisierungsorganisation GS1 Germany hat sich inzwischen ein Arbeitskreis gebildet, der sich dieser Thematik annimmt und insbesondere die technischen Schnittstellen Kasse/Smartphone via QR-Code und NFC sowie Händlerbank/Kasse über definiert.
Mit Abschluss dieser Standardisierung und Umsetzung im Handel steht Produktentwicklern eine Infrastruktur zur Abwicklung von Zahlungen im Handel zur Verfügung. Damit wird die Grundlage für neuen Wettbewerb geschaffen.
Migration etablierter Verfahren:
Grundsätzlich sind heutige Zahlungsverfahren dazu geeignet, bei der technischen Abwicklung auch auf die SCTInst-Infrastruktur zu setzen. In heutigen Verfahren sind zwei Prozesse für eine Abwicklung einer Zahlung erforderlich, künftig könnte die Abwicklung in nur einem Prozessschritt erfolgen. Damit ergeben sich Effizienzpotentiale, die an die Beteiligten weitergegeben werden könnten.
So läuft es heute: Im ersten Schritt findet die Zahlungsinitiierung statt. Diese wird dem Zahlungsempfänger übermittelt, damit dieser erkennt, dass die Zahlung angestoßen wurde. Oft ist diese Information mit einer Zahlungsgarantie verbunden. In einem zweiten Schritt – meist abends nach Geschäftsschluss - findet der Ausgleich der Zahlungskonten statt. Hier muss der Zahlungsempfänger das Geld nochmals anfordern, i.d.R. durch Auslösen eines Kassenschnitts.
Um diese Prozesse multilateral – also zwischen einer Vielzahl von Kundenkonten, Banken und Akzeptanzstellen organisieren zu können, bedarf es eines zentralen Regelwerkes, das sogenannte Scheme. Der Eigentümer des Regelwerkes (Scheme-Owner) bestimmt die Regeln, vergibt Lizenzen und verlangt Entgelte.
Zweistufiger Zahlungsablauf am Beispiel girocard:
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In der Zukunft könnten die Zahlungssysteme auf eine SCTInst-Abwicklungsstruktur migriert werden, ohne dass sich für den Zahler etwas ändert. Anstatt eines zweiten Prozesses – das Anfordern des Geldes – anzustoßen, findet der Clearingprozess zeitgleich mit der Autorisierung im ersten Schritt statt. Das aufwändige Verfahren des nachgelagerten Kontenausgleiches kann entfallen.
Für den Verbraucher könnten die gewohnten Prozesse wie z.B. die Handhabung der Karte erhalten bleiben. Ebenso könnten auch Kreditkartenzahlungen auf diese Form abgewickelt werden, ohne dass der Zahler eine sofortige Belastung seines Girokontos akzeptieren müsste (Belastung des Kreditkartenkontos).
Welche Hürden bestehen?
Um eine offene Infrastruktur am POS zu etablieren, bedarf es praktikabler Mechanismen zur Autorisierung von Instant Payment-Überweisungen. Hier hat der Gesetzgeber mit der zweiten Zahlungsdiensterichtlinie (PSD2) die Anforderungen an eine sogenannte starke Authentifizierung gesetzt. Will ein Kunde eine Zahlung initiieren, muss er sich mit mindestens zwei Merkmalen „ausweisen“, die auf zwei unabhängigen Kanälen übertragen werden und (bei Fernzahlungen) individuell mit dem Zahlungsbetrag/Zahlungsvorgang verknüpft werden müssen (z.B. transaktionsbezogene TAN). Bei der Abwicklung über ein offenes standardisiertes Verfahren wie oben beschrieben ergibt sich die Frage, wie eine starke Authentifizierung in der Bezahl-Situation an der Handelskasse gestaltet werden kann, ohne dass ein komplexer und zeitaufwändiger Prozess entsteht. Tatsächlich erhebt sich hierbei eine Hürde, die noch gelöst werden muss.
Weiterhin scheint der Zeitbedarf einer Transaktion zunächst problematisch. SCTInst gibt eine Zeit von maximal 10 Sekunden für den Abschluss einer Transaktion vor. Für typische Handelssituationen ist dies zu lang, eine Zahlung muss innerhalb von 3 Sekunden abgeschlossen sein (Zeit zwischen Absenden der Autorisierung und Empfang der Bestätigung). Jedoch haben erste Erfahrungen ergeben, dass auch SCTInst-Zahlungen in einem derartigen Zeitraum abgewickelt werden können. Insofern scheint das Zeitproblem gelöst.
Um sich am Markt behaupten zu können, bedarf es einer akzeptablen Preisstruktur. Aus Sicht der Verbraucher dürfen für Zahlungen keine zusätzlichen Kosten entstehen, dies würde quasi zu einem Marktausschluss führen. Insofern sind die derzeit aufgerufenen Preise für eine Echtzeitüberweisungen einiger Banken als prohibitiv zu bezeichnen. Preise je Transaktion bis zu 2 Euro können daher nur als Statement gesehen werden, dass derartige Transaktionen nicht erwünscht sind. Erst wenn die Preisstruktur bei allen Banken angepasst wird und die Echtzeitüberweisung wie herkömmliche Überweisungen behandelt werden, kann eine breitflächige Marktakzeptanz überhaupt aufgebaut werden.
Wird sich Instant Payment durchsetzen und wann?
Experten haben keine Zweifel, dass sich der Zahlungsverkehr an die bereits etablierte Echtzeit-Wirtschaft anpassen wird. Instant Payment wird sich daher langfristig durchsetzen. Offen ist noch, in welcher Form und für welche Anwendungszwecke.
Die Frage, wann Instant Payment zur Massenanwendung wird, hängt wesentlich von den Aktivitäten der Kreditwirtschaft ab. Erst wenn die genannten Hürden abgebaut werden, können Produkte entwickelt werden, die vom Kunden ernstgenommen werden. Die Entwicklung kann noch Jahre dauern.
Ein im Oktober 2022 vorgelegter Legislativvorschlag der EU-Kommission könnte die Ausweitung von Instant-Payment Strukturen beschleunigen.